Claudia Klinger am 23. Januar 2009 —

Erst recherchieren, dann nachdenken, dann bloggen

Als gestern bekannt wurde, dass zum ersten Mal ein Blog von den Bundesprüfstelle indiziert wurde, ging sofort ein Aufschrei durch die Blogosphäre:  ZENSUR!!  Beschränkung der Meinungsfreiheit! Und natürlich ist sowas immer BÖSE, da braucht man nicht lange überlegen – oder vielleicht doch?

Das Beck-Blog, dass die Sache gemeldet hatte, war stundenlang nicht erreichbar, die unzähligen Zugriffe hatten wohl den Server überfordert.  Das Blog, um das es ging, ist eines dieser „Pro-Ana“-Blogs, das die Magersucht glorifiziert – SPREEBLICK beschreibt das heute so:

„Pro-Anorexie-Seiten nennen die Krankheit „Ana“ und huldigen der „Göttin Ana“. Es geht bei der Indizierung einer solchen Site nicht darum, ein Anorexie-Forum zu sperren, vielmehr hat sich im Netz (u.a. bei MySpace, wo entsprechende Seiten regelmäßig gelöscht werden) ein Kult entwickelt, der Magersucht zu einer Religion erhebt und dessen Mitglieder beinahe sportliche Tipps austauschen, wie sie unbemerkt von Freunden oder Familie ihre Nahrungsaufnahme gegen Null reduzieren können – möglicherweise bis zum Tod. Wer aus diesem Kult „aussteigt“, gar an Gewicht zunimmt, wird gemobbt und auch verfolgt (siehe auch Frontline-Interview mit der Soziologin Pascoe).“

Eine Indizierung ist keine Zensur, das sollte eigentlich bekannt sein: Mit Altersnachweis darf die Seite von Erwachsenen weiter gelesen werden. Dass auf diese Weise wohl die Hauptzielgruppe ausgesperrt bleibt, ist beabsichtigt, es geht ja um Jugendschutz.

Johnny Haeusler (SPREEBLICK) veröffentlichte nun einen langen, sehr informativen Artikel zum Thema mit vielen Argumenten, warum es hier falsch ist, in die üblichen Reflexe zu verfallen. Den lege ich einfach mal allen ans Herz, die spontan und ohne sich groß mit dem Fall zu befassen, derlei Maßnahmen als bloße staatliche Unverschämtheit werten. Der Beitrag endet in einem Appell an alle, die im Netz publizieren, man möge doch auch gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen – auch wenn es sich nicht um reine „Netzthemen“ handelt wie die Vorratsdatenspeicherung.

Mehr zum Thema:

Unter der Meldung im Lawblog entwickelte sich ein umfangreiches Kommentargespräch;
1,4 Millionen Kinder und Jugendliche leiden in Deutschland unter Essstörungen;
Pro-Ana-Bewegungen (Fairbloggt)
;
Nicht immer gleich Zensur rufen (Spackblog);

Diskussion

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4 Kommentare zu „Erst recherchieren, dann nachdenken, dann bloggen“.

  1. Pardon,
    wie schon bei Johnny und bei mir ausgeführt, sehe ich das fundamental anders. Was hier passiert, ist nicht gut.

    Ich empfehle Dir, die Inhalte des indizierten Blogs zu lesen.

  2. Hab ich. Z.B. der „Brief an Ana“ – erschütternd!

  3. […] gegensätzlich aus. Einige Blogger sehen das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt, andere begrüßen es, wenn entsprechende Inhalte für junge Menschen nicht mehr zugänglich […]

  4. @2
    Ja, erschütternd. Aber Grund genug für eine Indizierung?