Heute mein zweiter Versuch, dem Twittern etwas abzugewinnen: Man schreibt 140 Zeichen in ein Fenster, die VON ALLEN (weltweit!) hintereinander weg gelesen werden können. Da nicht mal gestandene Online-Junkies mit derart vermischten Meldungen etwas anfangen können, kann man die Botschaften filtern und bekommt dann nur diejenigen zu Gesicht, die von Leuten stammen, denen man „folgt“.
„Folgen“ geht einfach, indem ich auf den entsprechenden Link neben einem Profilbild klicke: schon lese ich mit, was die Person so in die Welt schreibt. „Ich will Teil einer Tugendbewegung sein“, sagt Spreeblick. Und macht damit eine vergleichsweise tiefsinnige Bemerkung, die auf Twitter eher selten sind. Es wird geplaudert, jedoch nicht in der Art eines Chats, bei dem ja noch Antworten irgendwelcher Gegenüber erwartet werden, sondern eher so, dass jeder halt‘ mal was sagt, wenn ihm danach ist. Egal was, alles ist möglich.
Die Faszination, die für viele von Twitter ausgeht, hab‘ ich erstmalig 1995 im BTX gespürt: zeitgleich mit Anderen dasselbe lesen, aufeinander reagieren, wahrgenommen werden – wow! Es war nur verdammt teuer, jede Minute kostete Geld.
Später dann erlebte ich diesen „Rausch der virtuellen Gemeinschaft“ in der Mailingliste Webkultur, die 1996/97 mehrere hundert Mitglieder hatte und manchmal sehr viele Postings pro Tag erzeugte. Ich liebte das Gefühl, in einer Art „Tagungsraum“ zu sein, den ich nach Belieben betreten und verlassen konnte, je nach dem, wie oft ich in den „Listen-Ordner“ schaute.
CHAT-Räume gab es damals auch schon, klar. Da mir „Echtzeit-Kommunikation“ aber mittlerweile keinen Schauer mehr über den Rücken trieb, konnten sie mich nicht mehr fesseln. Zu chaotisch und nichtssagend die Postings: die Vorstellung eines „Raums“, den man betritt und verlässt, erzeugte damals wie heute jede Menge Null-Botschaften wie „Guten Abend allerseits!“, massenweise. Und selbst moderierte Themen-Chats zerfaserten regelmäßig in alle Richtungen, selbst dann, wenn „gutwillige“ User sich bemühten, am Thema zu bleiben. Chat war für mich schnell abgehakt.
Nun also Twitter: KEINE Raum-Anmutung, sondern ein „Schwarm-Gefühl“ – der Raum ist die endlose Weite der vernetzten Welt, in der die Individuen Stimmfühlungslaute austauschen und einander folgen. Wem man folgt, kann man sich aussuchen, zudem finden sich auch Menschen ein, die einem folgen – das ist der Teil des Schwarms, den man selber überblickt.
Der Nutzen? Hmmm, kommt drauf an, wie groß das eigene Bedürfnis ist, mal eben ‚was zu sagen. Meines ist nicht so groß, bzw. wenn es auftaucht, reichen mir meist 140 Zeichen nicht aus. Oder doch? Mal sehen, ich bleibe noch ein Weilchen dabei.
Wer mehr über’s Twitter-Erlebnis wissen will, dem seien Cem Basmans acht Interviews mit aktiven Twitterern empfohlen:
Acht Twitterer, acht Perspektiven
Und wer selber twittert, findet mich hier.
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2 Kommentare zu „Stimmfühlungslaute über Twitter“.