Claudia Klinger am 10. März 2010 —

Wie das Web vor 14 Jahren aussah: Missing Link – die Ausstellung

„Der Inhalt ist – trotz postmoderner Verzweiflung – indianisches Gespräch am Lagerfeuer. … Fünfzehn Jahre WEB haben – in my humble opinion – am Beispiel von Missing Link, die Verfallsgeschichte des Fortschritts wiedereinmal exemplarisch vorgeführt: Benjamins Engel der Geschichte und der fortschreitende Verlust der Aura des Kunstwerkes durch die Reproduzierbarkeit.“

So ein Kommentar zur Online-Ausstellung des Cyberzines Missing Link – mein erstes WebMag von 1996. So pessimistisch sehe ich das zwar nicht, doch waren die Anfänge des Webdesigns schon eine etwas abenteuerlichere Angelegenheit als heute. Man nutzte noch den Browser-Backbutton als Navi, orientierte sich an der Struktur von Print-Medien, oder gestaltete auch mal total „hermetische“ Seiten, auf denen man nach den Links erst suchen musste. Missing Link war allerdings auch für die damalige Zeit schon recht übersichtlich und versuchte sich an der später per CMS so allgegenwärtigen Portalstruktur.

Missing Link Cyberzine 1996/97

Das „Cyberzine“ existierte mehrere Jahre und war recht text-lastig: „händisch“ verwebbte Diskussionen über die neue „Welt“ im Internet, die man damals noch „Cyberspace“ nannte. Man war weitgehend unter sich: Literaten, Künstler, Studenten, Uni-Seiten, erste Experimente kommerzieller Akteure, die schon gleich Kritik auf sich zogen. Witzig, die ersten Eindrücke von damals 14 Jahre später wieder zu lesen – zum Beispiel zum „geistigen Eigentum“:

„Wer aber glaubt, mit einem in der Printwelt entstandenen Gesetzesinstrumentarium im Netz etwas auszurichten, hat die andersartige Struktur des Netzes noch nicht realisiert. Damit ist nicht gemeint, daß es immer einfache Möglichkeiten geben wird, Server außerhalb der Copyright-Staaten zu nutzen, um geklaute oder verbotene Inhalte zu verbreiten. Viel grunderschütternder ist doch die Tatsache, daß es hier gar nicht darum geht, kriminelle Energien im Zaum zu halten, sondern daß die technischen und strukturellen Bedingungen des Web unseren Begriff von (geistigem) Eigentum und Besitz zerbröseln lassen, ja geradezu auf den Kopf stellen. Seiten, auf denen nichts zu holen ist, sind einfach nicht erfolgreich, es ist, als säße man in seiner Wohnung und müßte nach den Dieben rufen: Kommt her und greift zu! „

Der aus heutiger Sicht naiv kultur-optimistische Artikel endet mit dem Satz „Die große Zeit der Massen und Massenmedien geht im Informationszeitalter zu Ende. Sollen wir darüber weinen?“ Es wundert eigentlich, dass das „Weinen“ so SPÄT angefangen hat und ein Schirrmacher erst 2009 so richtig auf den Putz hauen konnte.

Und hier gehts zur Ausstellung.

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Ein Kommentar zu „Wie das Web vor 14 Jahren aussah: Missing Link – die Ausstellung“.

  1. […] Klinger, die mindestens schon so lange im Netz aktiv ist wie ich, und immer wieder zwischen Literatur und Technik oszillierend neue kreative Ansätze ausprobiert und […]