Claudia Klinger am 19. Januar 2010 —

Durchsichtige Medienkampagne gegen Google

Ich lese seit 30 Jahren DIE ZEIT, doch es fehlt nicht mehr viel und dieses Flaggschiff des Qualitätsjournalismus verliert das Vertrauen, das über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Während nämlich auf ZEIT ONLINE in Sachen Netzthemen Meinungsvielfalt herrschen darf, sind die Artikel in der Druckausgabe (aktuell auf S.1: Im Google-Wahn) strickt auf Linie: contra Google, die böse Datenkrake, die uns „mit Werbung umzingelt“ und überhaupt alles Böse repräsentiert, was sich netzfernere Leser in ihren Angstträumen ausmalen – kräftig unterstützt von ZEIT, SPIEGEL, FAZ etc.

Wer sich inhaltlich einlassen will, dem empfehle ich für den Moment die vielen Kommentare unterhalb des o.g. Artikels – und im übrigen die Analyse von CARTA: Wie die FDP eine „Lex Google“ durchboxen soll: „Was hier abläuft, ist knallharte Klientelpolitik. Liberale Medien und FDP werfen sich die Bälle zu. Gesetze, die (außer von einigen Verlegern) von niemandem gefordert werden, sollen durch’s Parlament gejagt werden. Volksvertreter sollen zur Ausschaltung einer lästigen Konkurrenz missbraucht werden.“

Anstatt nach dem Staat zu rufen, dessen Datensammlungen ganz andere Schadenspotenziale beinhalten als der Umgang mit freiwillig veröffentlichten User-Infos durch Google u.a., könnte man ja was für die Medienkompetenz der Leser tun: es gibt unzählige effektive Möglichkeiten, sich „vor Google zu verstecken“, wenn man das denn will: Nicht nutzen ist die einfachste Methode, doch kann man auch als User sehr viel mehr tun – und zwar von Google unterstützt, denn es stehen überall Möglichkeiten zur Verfügung, etwa die „personalisierte Suche“ abzuschalten, kein „Tracking“ zuzulassen und vieles mehr.

Aber all das interessiert ja nicht wirklich. Im Verein mit der FDP wollen die Verlage Google am liebsten zerschlagen bzw. zumindest abkassieren (das sog. „Leistungsschutzrecht“). All die kostenlosen, mit im Gegensatz zu den Blinke-Bannern der Leitmedien nicht nervender Werbung finanzierten nützlichen Dienste sind ihnen ein Dorn im Auge. Fotografiert Google den öffentlichen Raum, was durch die Panoramafreiheit jedem Knipster gestattet ist, wird das auf einmal zum bösen Anschlag gegen die Privatheit.

Google Map, Google Earth und nun Goggles tragen mehr zur schnellen Orientierung des heute wunschgemäß flexiblen und mobilen Menschen bei als alles, was bisher da gewesen ist. Googles Buch-Suche macht lang vergriffene Bücher wieder sichtbar, deren Neuauflage den Verlagen nicht wirtschaftlich erscheint. Ohne Googles Suchmaschine müssten Millionen Webseiten auf große Teile ihrer Besucher und entsprechende Werbeeinnahmen verzichten – doch unsere Alt-Medien finden das im Verein mit Klientel-Politikern alles nur böse und bekämpfenswert. Sind sie erfolgreich, wird es ihnen gelingen, den „Standort Deutschland“ in die digitale Steinzeit zurück zu werfen – lassen wir es nicht so weit kommen!

Ja, das hier ist AUCH ein tendenziöser Artikel – einfach weil mir die Galle hoch kommt angesichts dessen, was ich in diesem Januar 2010 als geballtes Google-Bashing von Seiten der Altmedien lesen muss! (Wer es ausgewogener will, lese z.B. „Über Daten und Macht“ im Digital Diary.)

Diskussion

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8 Kommentare zu „Durchsichtige Medienkampagne gegen Google“.

  1. Monopole sind immer problematisch – selbst das Gewaltmonopol des Staates ist durch das Widerstandsrecht eingeschränkt.
    Wenn vor einem unkontrollierbaren Einbruch in die Privatsphäre (Identifikation von Personen über Bildabgleich) und einem Definitionsmonopol (per Handy gelieferte Welterklärung unter Wikipedianiveau) gewarnt wird, so ist das legitim.
    Wer daraus schon schließt, dass das ein Angriff gegen das Internet ist, sollte das auch so aussprechen. Googlekritik muss erlaubt bleiben.

  2. Wo hat denn bitte google ein Definitionsmonopol? Wenn sich der eine oder andere nur per Spiegel informieren hat der doch auch keins.
    Natürlich muss man wachsam bleiben, aber bis jetzt kann ich nichts sehen was man google vorwerfen könnte. Nirgendwo werde ich gezwungen meine Daten abzugeben (anders als beim Staat) und ich kann sogar googleAds ausschalten und trotzdem mein kostenloses E-mail Programm nutzen.

  3. @Fontanefan: Selbstverständlich kann Google nur Daten anbieten, die zuvor irgend jemand ins Netz eingegeben hat. Allenfalls statistische Mengenabgleiche sind möglich, womit man die Wahrscheinlichkeit der Stimmigkeit erhöht.

    Das Problem ist nicht, dass es jetzt ein Handy gibt, auf dem Google seine Infos zu allerlei Dingen der Welt anbietet. Ein Problem ist es aber, wenn Menschen vor diesen Angaben in Ehrfurcht erstarren, weil sie aus einem technischen Gerät abgelesen werden können, das zuvor so etwas nicht anbot.

    Der GLAUBE an eine „Definitionsmacht“ ist das Übel – und dieser Glaube ist nichts als Unwissenheit, fehlende Medienkompetenz eben!

    Es hat auch einige Zeit gedauert, bis die Menschen begriffen haben, dass jetzt jeder ein Buch drucken kann – und dass deshalb nicht alles die reine Wahrheit sei muss, was man GEDRUCKT in schwarz auf weiß zu lesen bekommt!

  4. Die Zeit soll Qualitätsjournalismus sein…eher die Bildzeitung für Intellektuelle;)

  5. […] zur Sache: Ein Leser hat unter meinem Artikel zum derzeitigen “Google-Bashing” angemerkt, dass “Informationsmonopole” immer schlecht seien – und meinte damit […]

  6. Es ist ja bekannt, das der Spiegel und Co immer ein bisschen übertreiben. Finde ab und zu sollte man sein Geld zurück bekommen, für die Artikel.

  7. ich muss mich Fontanefan anschliessen, es ist wichtig das man sich mit Google und dem was die Firma tut kritisch auseinandersetzt. Google hat eine gewisse Marktmacht, aber die ist nur so gut wie sie von den Nutzer akzeptiert werden. Früher hat man auch mal gedacht Yahoo wäre allmächtig (vielleicht erinnern sich noch einige), dann kam ein kleiner Startup und rollt den Markt auf. Das wird zum Glück immer wieder passieren, Google, Facebook, Twitter haben es vorgemacht. Alles hat sein Zeit, wichtig ist nur das die Märkte dies auch zulassen, deshalb kann ein wenig Google-Bashing gut sein um auch anderen einen Platz zu ermöglichen.

  8. Ich habe die „Zeit“ schon lange abstellt.