Ein neues Web 2.0-Tool wird gerade durch die Szene gehypt: Auf FriendFeed kann man verfolgen, was die eigenen „Freunde“ irgendwo im Web gerade machen. Irgendwo? Natürlich nicht! Nur wer sich auf ausgetretenen Pfaden bewegt, bei Flickr Bilder postet, bei Youtube Videos guckt und bei 21 weiteren Diensten liest, schreibt, Musik hört oder Bookmarks einstellt, kann auf diese Weise „verfolgt“ werden. Ja super, ist das nicht wunderbar??
Überwachung oder Beachtung?
Als Facebook den „Mini-Feed“ einführte, gab es noch Proteste: User fühlten sich überwacht und zwangsgeoutet, weil sofort auf dem Profil gemeldet wird, was man gerade im „sozialen Netzwerk“ (einschließlich der angeschlossenen Shops und manch anderer Seite) so alles tut. „Claudia and Udo are friends now“ – aha! „Oliver saved 1 bookmark on del.icio.us.“ – na sowas!
Friendfeed macht genau das, wahlweise außerhalb oder innerhalb einer Großcommunity: Die Nachrichten über die Aktivitäten der Freunde können auf einer eigens eingerichteten Website oder mittels eines Moduls auf der Seite des Users bei Facebook oder Google angesehen werden.
Ich staune immer wieder, wie groß das Bedürfnis der Leute zu sein scheint, jeden Furz von anderen mitzubekommen! „Sag was du gerade tust“ war und ist auch die Idee von Twitter, ein Dienst, der eine Art chaotische Massen-SMS zur Verfügung stellt. Das BEKANNT MACHEN der eigenen Aktivitäten wird langsam wichtiger als die Aktivitäten selbst: Was man macht, wird gemeldet, WARUM man es tut, interessiert kein Schwein. Vermutlich nicht mal mehr die Aktiven selbst, Hauptsache, die Action schwappt als „News“ durchs interaktive Web.
Drin sein, dabei sein, bemerkt werden – dafür muss man heute nichts mehr leisten, etwa ein Stück „Welt verbessern“, bzw. irgendwie nützlich sein. Es reicht, das persönliche Nachrichtenwesen technisch zu implantieren, dann spammt man sämtliche Freunde und Bekannte mit den neuen Tools zu und hofft das Beste!
Und die Folgen?
Ich male mir gerne aus, wie es sein würde, wenn solche neuen „Kommunikationsinstrumente“ tatsächlich allüberall genutzt würden. Da laufen also sämtliche Infos über alles, was meine Lieben so machen, irgendwo über eine Website. Klar würde ich anfänglich mal schauen, da ich aber noch ein „richtiges Leben“ führe (so mit Arbeit, Webseiten bauen, bloggen, einkaufen, kochen, spazieren gehen, …), würde das schnell weniger oft bis gar nicht mehr passieren. Weil meine Freunde dann aber wissen, dass ich wissen KÖNNTE, was sie machen, würde es schon bald als Zeichen mangelnden Interesses bewertet, wenn ich das alles gar nicht lese.
Andersrum: mal angenommen, ich lese alles dauernd mit – was eigentlich hätten wir uns noch zu erzählen, wenn wir uns dann mal treffen? Kommt doch alles dauernd ‚rüber, per Blog, Twitter, Facebook, Friendfeed u.a., nicht zu vergessen das Handy, das uns jetzt sagen kann, wo die Freunde sich gerade physisch aufhalten.
Über den Tellerrand
Vor etlichen Jahren hat mich die Äußerung eines Wirtschaftslenkers, dessen Name mir leider entfallen ist, schwer beeindruckt, der in Davos verlautbarte, man könne die Weltwirtschaft locker mit 30% der Weltbevölkerung im arbeitsfähigen Alter schaffen. Aber was macht dann der große Rest?
Das war damals schon die brennende Frage, auf die sich mit dem Web 2.0 jetzt vielleicht die Antwort anbahnt – ganz nach dem Hölderlin-Motto „wo die Gefahr ist, wächst das Rettende auch“. Wer nicht wirklich gebraucht wird, sortiert eben Nachrichten, sampelt sie neu und lässt melden, was er gerade so macht:
„Oliver saved 1 bookmark on del.icio.us.“
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10 Kommentare zu „FriendFeed: Share this! Aber warum eigentlich?“.