Claudia Klinger am 12. September 2007 —

Goodbye Privacy – zur Ars Electronica

Werner StanglEs ist mir eine Freude, den folgenden Gastbeitrag von Werner Stangl zu präsentieren, der so freundlich war, für das Webwriting-Magazin seine Eindrücke von der Ars Electronica auf den Punkt zu bringen. Werner gehört zum Urgestein des deutschprachigen Internet, lebt in Linz und lehrt am Institut für Pädagogik und Psychologie der Johannes Kepler Universität Linz.

Wenn man in Linz lebt, stolpert man derzeit über die in der ganzen Stadt verteilten Installationen und Events des Festivals „Ars Electronica“, das in diesem Jahr unter dem Motto „Goodbye Privacy“ steht. Die Projekte der KünstlerInnen zu den Möglichkeiten der neuen Technologien vermitteln prima vista sowohl Faszination als auch Beängstigung.

Der Medien-Exhibitionismus unserer Tage macht private Details wildfremder Personen allen zugänglich, denn über Google Earth ist ein Blick in Nachbars video-überwachten Garten genauso möglich wie eine Google Suche nach allfälligen Spuren von Personen im Netz.

Diese entstehende virtuelle Parallelwelt lässt den Netzbürger zwischen Exhibitionismus bzw. Prostitution und Voyeurismus bzw. Ausbeutung pendeln, jeder ist Darsteller und Zuschauer zugleich. Auch wenn ich mich persönlich nicht in Second Life, MySpace oder YouTube virtuell individualisiere, wird mir letztlich klar, dass ich mich mit einer reinen Verweigerungshaltung in eine Sackgasse begebe.

Verschwimmende Grenzen, reglementierte Utopien…

Zumindest die Rolle des aufmerksamen und kritischen Beobachters ist heute im realen Leben fast zu einer Überlebensnotwendigkeit geworden. Das umso mehr, als die Grenzen zwischen virtuellen Räumen und real existierenden Gegebenheiten zusehends verschwimmen. Die Kommerzialisierung des Internet ist bereits Geschichte, das Web 2.0 ist auf dem Weg dazu. Wenn auch jene Festivalbesucher, die ihren Nickname aus Second Life als gebastelte Kopfbedeckung durch die Öffentlichkeit tragen, eher kindisch verspielt wirken, so personifizieren sie recht gut die Verschmelzung beider Welten, zumal sie sich bei einem sehr realen Stylisten die virtuellen Frisuren aus dem Online-Spiel auf das eigene Haupt zaubern ließen – gegen realen Cash versteht sich!

… Unruhe für sterbende Gletscher

Hand in Hand mit der Kommerzialisierung geht auch die Politisierung und Reglementierung. Die Utopie, die John Perry Barlow 1996 am Ende seiner „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“ („Wir werden im Cyberspace eine Zivilisation des Geistes erschaffen. Möge sie humaner und gerechter sein als die Welt, die Eure Regierungen bislang errichteten“) formulierte, ist längst den digitalen Bach hinuntergegangen, den man sich ebenfalls in einer Installation der heurigen Ars Electronica (Second City) zu Gemüte führen kann. Die Mobile Elegy „Calling the Glacier“ des Klangforschers Kalle Laar ermöglicht Handy-BesitzerInnen, sich mit dem Pasterzengletscher am Großglockner in Verbindung zu setzen:

„Dort aufgestellte Mikrofone gehen auditiv auf Tuchfühlung zum Zischeln, Fließen, Knacken, Stöhnen und Ächzen des schmelzenden Eisgiganten. In Echtzeit wird dieser unaufhaltsame Prozess als Klangcollage direkt auf Mobiltelefone (+49 89 3791 4058) übermittelt und macht uns zu Zeugen eines Tatbestands, der uns alle betrifft.“

Nicht einmal als sterbender Gletscher hat man seine Ruhe!

Alle eine große Familie?

Als Eingeladener zu einer Diskussion zum „Dichterherbst“ Anfang Oktober in Wien etwa habe ich sowohl die Location „Masc Foundation – Kunstverein Grundsteingasse“ als auch Personalia der vorläufigen MitdiskutantInnen, die mir zuvor persönlich nicht bekannt waren, recherchiert. Ich kenne von vielen jetzt nicht nur ihre beruflichen Profile sondern ganz grob auch deren gesellschaftspolitische Orientierung, einzelne Hobbies und auch private Lebensstationen. Wenn ich davon ausgehe, dass einige der MitdiskutantInnen genauso nach mir recherchiert haben, dann würde es mich nicht überraschen, wenn ich bei der Diskussion auf Mitglieder meiner Familie angesprochen würde, die ebenfalls Webpräsenzen besitzen.

In Form von Symposien, Ausstellungen, Performances und Interventionen haben KünstlerInnen, Net-NomadInnen, TheoretikerInnen, TechnologInnen und RechtsexpertInnen aus aller Welt – soviele AsiatInnen habe ich übrigens noch nie in Linz gesehen – zahlreiche kritische Themen beleuchtet – hier nur ein Ausschnitt aus dem Programm:

  • Was können wir dem Eindringen der Kontroll- und Überwachungstechnologien entgegensetzen?
  • Wie lässt sich aus den neuen kulturellen Paradigmen der Web 2.0-Communities eine soziale Dynamik generieren, die auch in der realen Welt Relevanz entfalten kann?
  • Wie können wir den individuellen Kontrollverlust über unsere digitale Persona verhindern?
  • Wie sehen die neuen Strategien zur Schaffung von Privatsphäre in der transparenten Welt der digitalen Medien aus?
  • Können wir die vorkonfigurierten virtuellen Öffentlichkeiten der Entertainment-Industrie aufbrechen und selbst gestalten?
  • Wie können wir die gesamte kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaften in diese neu entstehenden sozialen und öffentlichen Räume tragen?

Als seit Anbeginn des Internet auf diesem virtuellen Boulevard flanierend und mitgestaltend Tätiger, bin ich angesichts der bisherigen Entwicklungen eher skeptisch. Denn auch wenn Gerfried Stocker und Christine Schöpf in ihrem Statement hoffen: „Die digitale Revolution ist uns mittlerweile ganz vertraut, aber wie wird die digitale Rebellion aussehen?“ dann vermute ich, dass diese Rebellion wohl in YouTube unter Verwendung von Microsofts Vista von Google vermarktet stattfinden wird.

Diskussion

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14 Kommentare zu „Goodbye Privacy – zur Ars Electronica“.

  1. Ich habe den Beitrag Herrn Stangls gerne und mit viel Zustimmung gelesen.
    Interessant und auffallend fand ich, daß ich die Liste der (kritischen? naja!) Fragen, die er auflistet, durch die Bank weg nur mit ‚geht nicht‘ oder ’nein‘ beantworten würde. Wie er vielleicht auch, zumindest klingt mir sein letzter Satz danach.

    Was mich nach wie vor wundert ist, warum der Grund, den ich dafür als ausschlaggebend ansehe, aber wieder einmal nicht genannt wird (vielleicht hält er ihn auch für selbstverständlich, ich stecke in diesen Diskussionen nicht so tief drin):
    der rechtliche Besitz und die materielle Verfügungsgewalt über die technischen Mittel (das hieß wohl mahl Produktionsmittel) die den ganzen Zauber tragen.

    Was sicherlich nicht allzu angenehm anzusprechen und hinzunehmen ist, denn er ordnet die Net-Revolutionäre und Rebellen leider dort ein, wo sie in meinen Augen schon immer waren: im Kinderzimmer, bis Pa ihnen das Licht aus macht.

  2. So pessimistisch sehe ich das nicht. Auch weiß ich nicht, was z.B. der „Kontrollverlust über die Privatsphäre“ mit dem Eigentum an den Produktionsmitteln zu tun hat. Es sind die Menschen selbst, die jede Menge Infos über sich einstellen, öffentlich sicht- und findbar. Und sich dann wundern, wenn jemand sichtet und findet…

    Soziale Dynamik über Web2.0-Angebote gibt es bereits – einerseits durch die größere Transparenz in allen Angelegenheiten (User-Erfahrungen), andrerseits haben LOKALE Communities erst jetzt (wg. der massenhaften Netz-Verbreitung) wirklich gute Bedingungen, im REALEN LEBEN Wirkungen zu erzeugen. Und immer noch kann man sowas mit recht wenig Geld auf die Beine stellen!!!

    Verglichen mit SÄMTLICHEN vorherigen Medien und Kommunikationskanälen gab es noch nie soviel Selbstbestimmung und Mitgestaltungsmöglichkeiten wie sie das Internet ermöglicht! Und zu verdammt erschwinglichen Preisen…

  3. Der „Kontrollverlust über die Privatsphäre“ meint nicht nur das, was jemand im Web freiwillig preisgibt, sondern die Datenspuren, die man im Alltag zwangsläufig hinterlässt – begonnen bei der Bezahlung mit Kreditkarte (in welchem Laden wieviel) , dem mobilen Telephonieren (genaue Ortung), dem Arztbesuch (eCard), dem Flugticket (wohin, wie lange) – die Liste lässt sich fortsetzen. Noch sind diese Daten weitgehend geschützt und nicht miteinander vernetzt. Ich kann mich dem Ganzen natürlich freiwillig verweigern – ich habe mir erst vor zwei Jahren ein Prepaid-Mobile gekauft, aber es gibt immer mehr Situationen, in denen ich nicht mehr darauf kann. Es gibt ja aber andere fleißige Datensammler wie Google – wer ein Google-Konto hat, sollte einmal in seine Webhistory hineinschauen ;-)

  4. Gut, die Möglichkeit zur Kommunikation ist gegeben, die gab es auf lokaler Ebene aber wohl auch schon immer (siehe die Dynamik der Bürgerinitiativbewegungen, Anti-AKW usw). Ich denke aber, daß der Weg vom Virtuellen ins Reale nicht die Bedingungen des Realen durch Modifikation des Virtuellen aufheben kann. Und was wir im Moment erleben (z.t. auch durch den Spam- un Virenwildwuchs befördert, interessant, nicht wahr?), ist ja wohl das gleiche, was in den USA in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts mit dem Rundfunk passierte: gesetzlich werden die Möglichkeiten eingeschränkt, bis irgendwann doch wieder ein Markt entsteht, der Gesetze benötigt. (siehe auch hier)

  5. Also meine reale und virtuelle Welt verschmelzen täglich.
    Jede(r) neue Kommilitone den ich kennen lerne wird sofort auf StudiVZ gesucht. Und da fast alle Studenten vernetzt sind geht das vermutlich vielen so.

  6. Malte Landwehr: Mir ist nicht ganz klar, was Sie damit genau sagen wollen. Zumindest nicht im Kontext des Artikels, den Claudia hier eingestellt hat.

    Werner Stangl: Ich verstehe Ihren Artikel so, daß Sie die Möglichkeiten des Einzelnen, das Web zu nutzen, sehr kritisch sehen. So sehe ich das auch. Im Web wird m.E. eine neue Unmündigkeit erzeugt, auf der als Neonreklame „neue Moderne“ blinkt, damit es sich leichter schluckt. Ist das so richtig?

    Claudia: soziale Dynamik gibt es, sicher. Aber die im Web ist der Freizeitspaß einer per Spiellust ruhig gestellten Gruppe. Draußen (auf den Fluren des Arbeits- und Sozialamtes) passiert was ganz anderes.

  7. Huch, was seid Ihr pessimistisch!

    Susanne, mal als Beispiel: die Möglichkeiten, sich mit geringen Eigenmitteln selbständig zu machen, sind durch das Web QUANTENSPRUNG-artig vervielfacht! Allein die vielen Menschen, die per Ebay ein Auskommen gefunden haben, dazu die vielen kleinen Anbieter irgendwelcher Dienstleistungen, die ohne Web nie im Leben über ihren physischen Nahraum hätten hinaus wirken können – all das kann man doch nicht einfach negieren! (Und die Arbeitsagenturen unterstützen das ja mittlerweile auf verschiedene Weisen).

    Wer heute ein Hobby oder spezielles Interesse hat und ein wenig schreiben kann, kann eine Website dazu aufmachen, ein Publikum finden und nach und nach mittels Aufträge, Werbung und evtl. der Vermarktung passender Produkte eine Existenz aufbauen. Ich kenne unzählige Leute, die das mit Erfolg tun.

    Auch die Jobsuche ist viel leichter und präziser geworden, da sich die meisten Unternehmen im Web präsentieren, man also gut forschen kann, wohin man will und was man dort beitragen könnte.

    „Soziale Dynamik“ heißt auch Vernetzung auf Stadtteilebene, Nachbarschaftshilfe, Auseinandersetzung mit Lokalpolitik und Stadtgestaltung – diese Ebene beginnt gerade erst, in relevantem Umfang das Web zu nutzen und ich bin mir recht sicher, dass das eine große Zukunft haben wird!

    Mit „Freizeitspaß einer per Spiellust ruhig gestellten Gruppe“ hat das alles wenig zu tun! Es wird immer passive Leute geben, die nix im Sinn haben als abzuhängen, sich zuzudröhnen und sich unterhalten zu lassen – das kann man aber nicht „dem Web“ vorwerfen! Sie würden OHNE nicht anders handeln, man kann auch vor der Glotze abhängen.

  8. Zugegeben, ich neige zu Pessimismus.

    Hier abseits der Metropolen sehe ich einfach zu viele Schatten, die die Lichter irgendwelcher Dynamiken aufs Land werfen. Und auf meiner Arbeit schreibe ich vielleicht etwas zu viele Briefe wg.Insolvenz, als daß ich an die blühenden kleinen Existenzen so recht glauben mag.

    Bezogen auf das. WWW stellt sich mir leider manches düster dar:

    Daß ich zu meinen Nachbarn gehe und mit ihnen rede, ist mir nur durch direkte Gewalt zu verwehren. Und was ich mit ihnen berede, nur durch eine etwas aufwendige Technik zu eruieren.

    Der Zugang via Net ist mir mit einem Schalter zu verwehren. Und jedes Paket, daß mein Browser verschickt oder erhält, wird irgendwo gespeichert (mindestens beim Knoten, über den ich eingewählt bin) und ist dort leicht einseh- und kopierbar. Für die Betreiber des Leitungsnetzes z.B. Davon lenken doch alberne Diskussionen wie die um Bundestrojaner usw. nur ab. Daß so viele daran mitmachen, zeigt in meinen Auen nur, wie wenig die ach so kundigen Leute vom Internet verstehen, die lauthals darüber räsonnieren.

    Niemand kann mehr sagen, was ein OS auf deinem Rechner tut, was ein Browser, was ein E-Mail Klient. Nicht mal, was dene eigene PgP-Software tut, ist allgemein bekannt oder überprüfbar. Quell-Code versteht kaum jemand, es wäre noch nicht einmal prüfbar, ob veröffentlichter Code tatsächlich der compilierte und verlinkte Code ist, der im Prozessor ausgeführt wird. Die öffentlichen Diskutanten glauben zu diesen Fragen immer gerade das, was sie glauben wollen. Kann so etwas als ‚aufgeklärt‘ gesehen werden?

    Warum haben etwa moderne Router keine einfache hardware-basierte Protokollmöglichkeit, mit deren Hilfe ich jederzeit einsehen oder ausdrucken kann, was über meine Leitung läuft (zumindest die Paket-Header sind für jeden Menschen gut lesbar)? Das wäre für mich doch eine kleiner Schutz meiner Privatsphäre. Niemand interessiert sich aber dafür, obwohl solche Überwachugstools für Netzwerke schon seit langem bekannt sind und eingesezt werden.

    Bösartige Software wird in der Öffentlichkeit immer noch eher als Produkt kindischer Hacker mit Pickeln im Gesicht hingestellt. Als Unfall. Welches know-how sie voraussetzt, wer das massenweise hat, und wem das alles nützt – wird sehr selten genauer betrachtet. Daß sie z.b. mehr Rechenpower und Updates erfordert, weil die Schutzmechanismen immer mehr Rechenzeit wegnehmen und Software damit (endlich!) moralisch veraltet (wie schön, wie sollte denn auch sonst ein funktionierendes Programm als abzulösen desavouiert werden).

    Die Spam-Flut hilft mit, eine Erneuerung des Webs zu initieren, weil den Firmen mit der Flut des Spams in der Tat Schaden zugeführt wird. Die Quell-IP’s der Spamversender scheinen aber dennoch sakrosankt, obwohl auch SPAM einen ermittelbaren Eintrittspunkt ins Web haben muß. (wie bei den Zahl-Telefonnummern damals, als sich die Telefongesellschaften das schöne Geschäft nicht haben entgehen lassen)

    Okay, das war jetzt ziemlich summarisch-einseitig zusammen getragen, es gibt bestimmt eine Menge am Web, das positiv zu sehen ist, du listest das ja auf. Es ist ja auch alles so schön bunt da. Sehr gut, eine zweites Leben zu haben, bei e-bay zu kaufen und nicht um die Ecke, seine Steuererklärung einfacher gestaltet zu wissen, da deine Umsätze dem Finanzamt ja bereits alle genauestens bekannt sind und von deiner Bank oder dem pay-service-provider gemeldet, mit den Bewohnern deines Viertels darüber via Web (und für spätere Diskussionen gut archivert) entscheiden zu können, welche Kanäle saniert, Straßenbeläge erneuert, Steuervergünstigungen erteilt, Parzellen als Bauland ausgewiesen werden. Direkt im Bezirksparlament oder dem Gemeinderat ging das ja früher nicht, obwohl interessierte Bürger sich danach drängten und die Verwaltung bereitwilligst alle Informationen dafür zur Verfügung stellte. Und wie schön, daß jeder eine Chance hat, ein kleines, feines Geschäft aufzmachen. Selbst aus einem brennenden Haus kommen doch immer Einzelne unbeschadet davon. Deren Gesichter wir dann per Web eingespielt kriegen. Das gibt den Leuten Mut. Wie ich den Jungs und Mädchen aus meiner Schularbeitengruppe auch immer sage: der eine oder die andere von euch kriegt bestimmt eine Lehrstelle. Auch wenn ihr dunkle Haare und eine seltsame Aussprache habt. Letztes Jahr waren es sogar zwei.

    Scusa, wenn mein Tonfall etwas schrill wurde, er richtet sich weiß Gott nicht gegen dich und deine Webartikel, im Gegenteil. Du hast mit vielem ja in der Tat recht, und ich male möglicherweise nur den Teufel an die Wand. Schadet hoffentlich keinem und läßt mich höchstens nur ein wenig dämlich da stehen, wenn meine Befürchtungen sich als grundlos erweisen. Aber das wäre dann ja wohl zu verschmerzen.

    Vielen Dank jedenfalls für die Beiträge hier und die Diskussion.

  9. @Su,

    ich verstehe lange schon genug vom Internet, um zu wissen, dass alles, was ich ins Netz gebe, auch mitgelesen werden kann. Das hat mich allerdings nie behindert, meiner Wege zu gehen, meine Hobbys zu pflegen, zig Leute kennen zu lernen, meine Arbeitschancen wahrzunehmen und vieles mehr. Und ich sehe auch immer schon BEIDE SEITEN der Medaille, dass nämlich Menschen nicht grundsätzlich netter und friedlicher werden, wenn sie in voller Anonymität zugange sind!

    In deinem zweiten Absatz, der doch eigenlich mit „dem Positiven“ beginnt, gelingt es dir nicht, den Zynismus mal beiseite zu lassen! Natürlich ist es EINFACHER, Bezirkspolitik über das Web breiteren Kreisen zugänglich zu machen als auf bisherigen Wegen! Und ob Verwaltungen Informationen zur Verfügung stellen, ist eine Frage des Drucks, den die Bürger über die Öffentlichkeit und über die beteiligten Parteien zu erzeugen vermögen – ich war lang genug aktiv in der Richtung, das ist keinesfalls „Schönfärberei“. Es funktioniert, sobald etwas einer kritischen Masse wirklich auf den Nägeln brennt – und das ist in Sachen „Bezirkspolitik“ eben nicht jeden Tag der Fall. In Berlin gibt es auch lange schon Rechte auf Akteneinsicht – hat man sich mal erstritten, geht also!

    Was mein Rechner tut, muss ich nur in Grundzügen verstehen. Es will auch keiner mehr genau wissen, wie das Auto im Detail funktioniert oder der Mikrowellenherd. Willst du tatsächlich die Arbeitsteilung der heutigen technischen Welt zurück drehen?

    Was die Lehrstellen angeht: die Zahlen sind wohl tatsächlich in diesem Jahr besser geworden, jedenfalls lese ich das so. Und hörte übrigens gestern von einem Lehrer, der seiner letzten Klasse ein ganzes Jahr im Detail beibringt, wie man mit den Behörden umgeht, um im Hartz4-Dschungel zu Recht zu kommen. Er sagt, er wolle seine Kids nicht über die Tatsachen belügen, sondern aufs reale Leben vorbereiten. Auch eine interessante Position, die mich daran erinnert, dass ich es mit 15 nicht als Unglück angesehen hätte, von der 9-to-5-Arbeit noch ein wenig verschont zu bleiben!

    Ich finde die Lehrstellenproblematik auch beschissen, gebe aber zu bedenken: die Erwachsenen sind es, die den Kids erstmal einreden, dass sie ohne Arbeitsstelle NICHTS WERT sind! Der Drill und Leistungsstress in der Schule wird immer größer, schon in der Kita soll jetzt gefördert&gefordert werden – alles sicher sinnvoll, wenn es im Rahmen bleibt, aber das sehe ich derzeit nicht.
    Qualitäten, die mehr mit der Chance auf Lebensfreude als mit der Verwertbarkeit zu tun haben, geraten total ins Hintertreffen (Sport, musische Fächer..). Das müsste nicht sein. Wir sind im Grunde ein reiches Land, für das es kein furchtbares Unglück ist, wenn ein gewisser Prozentsatz arbeitslos ist – ich kannte zu jeder Zeit Leute, die auch tatsächlich nicht unglücklich darüber waren!

    Sagt man das aber laut, geht gleich die „Schmarotzer-Arie“ los, da es auch der Ökonomie-krititische Bürger hierzulande nicht gern sieht, dass es Leute gibt, die andere Prioritäten haben als um „irgend eine Arbeit“ zu buhlen.

    In anderen Ländern (Indien z.B.) sieht man das entspannter, da herrscht nicht durchweg so ein Arbeitsethos, da leistet man sich erwerbslose Priesterkasten und jede Menge Verrückte, die ihre „anderen Geisteszustände“ in aller Ruhe pflegen dürfen und dabei noch freudig von der Bevölkerung versorgt werden!

    Na, hierbei will ich es für jetzt mal bewenden lassen! :-)

  10. @Claudia

    ich gebe zu, du hast Recht, sowohl der Sache nach (das www erleichtert an sich die Informationsbeschaffung) als auch, was den Ton angeht, der mir bei diesem Thema herausrutscht. Scusa, nochmals. Vielleicht ist Unmündigkeit ja die kommende Bürgertugend in dieser hochlomplexen Welt.

    Was meinen Rechner angeht, habe ich jedoch gemerkt, daß du vieles durchaus wissen kannst, wenn du nur hartnäckig genug bist, selber liest und dazu ein paar Leute löcherst, die sich mit der Materie beschäftigen und etwas auskennen. Und danach hört sich für mich das Gerede über Sicherheit und Privatsphäre dank dieser oder jener tollen Programme, das viele der früher von mir so bewunderten ‚IT-Könner‘ absondern, doch plötzlich sehr, sehr anders an. Und ich vermute, das könnte auf anderen Gebieten vielleicht auch so sein. Wo das ‚Alles-im-Griff‘-Gehabe möglicherweise ebenso hohl ist.

    Und das: die Erwachsenen sind es, die den Kids erstmal einreden, dass sie ohne Arbeitsstelle NICHTS WERT sind! ist ein Satz, den ich mal unter die Kids, die ich hier kenne, streuen werde. Mal sehen. Ich jedenfalls glaube das nicht. Die lassen sich nichts einreden, sie sehen recht präzise, welche Chancen du in dieser Gesellschaft womit bekommst. Und welche nicht!

    Naja, und am Ende, dieser Satz: Wir sind im Grunde ein reiches Land, für das es kein furchtbares Unglück ist, wenn ein gewisser Prozentsatz arbeitslos ist juckt es mir heraus: Ich frage mich schon lange, wo eigentlich die Leistungsfähigkeit dieser Gesellschaft verpulvert wird? Vermutungen habe ich, und eines weiß ich ziemlich sicher: eben nicht da, wo es um den Schutz der Schwachen, Kranken und Alten geht, und gewiß nicht da, wo es um Lebenschancen für alle geht.

    So, genug genervt.

  11. @Su,
    nerven auf so hohem Niveau ist nicht wirklich nervig :-) – besonders dann nicht, wenn es nicht auf Teufel komm raus durchgezogen wird!

    Meinerseits gehts mir nicht ums Recht haben. Es gibt soviel Scheiße in der Welt, dazu singe ich halt nicht so gern die x-te Keller-Ralley, sondern zeige lieber andere Seiten, Erfolge, Chancen und Sichtweisen auf: letztlich ist es ja immer menschliches Verhalten, das Paradiese oder Höllen erschafft – und das KANN sich ändern! (Wie hoffentlich jede/r von sich selber weiß).

    Dazu zu ermuntern macht mir mehr Freude als die Gefahren und feindlichen Mächte immer gewaltiger auszumalen, so dass sich der innere Held/die Heldin lieber hinterm Ofen versteckt, anstatt den Aufbruch ins Freie zu wagen und jedem Drachen mutig zu trotzen.

  12. Naja ich denke das immer noch die, die Ihre Informationen im Internet preisgeben möchten dies tun, und diese Personen auch selbst beachten sollten welche Informationen freigegeben wird. Man veröffentlich Profile in xing, myspace, etc.etc. und wundert sich dann wenn die Oma zufällig durch eine der Suchmaschinen erfährt welche Versauten Dinge die Enkelin macht. Just my 2 cents.

  13. @ Alf

    Dein Wort in Gottes Ohr . Wenn ich teilweise sehe was die alles von siche Preis geben bzw. Wie manche sich zur schau stellen. Einfach unverständlich in meinen Augen !

  14. Einfach nur ein sehr sehr guter Artikel mit vielen Anregungen, sich einmal genauer zu informieren! Danke!