Nun hat die Bundesregierung also den dritten Entwurf des Leistungsschutzrechts beschlossen: Suchmaschinen und andere News-Aggregatoren sollen für ihre Leistung, den Verlagen Leser zuzuführen, Lizenzgebühren zahlen. Mit derselben Denke müssten eigentlich auch Kioskbesitzer für das bloße Ausstellen der Zeitungen und Magazine zahlen, ebenso wie Taxisfahrer an die Lokale und Veranstaltungsorte zahlen müssten, zu denen sie die Fahrgäste hinfahren. Schließlich würde niemand mit dem Taxi herumfahren, wenn keiner die Leistung erbracht hätte, Restaurants, Hotels und Museen zu errichten.
Absurd? Ja klar, aber das stört unsere willfährigen Politiker nicht. Die schicken sich im Dienste der Verlagslobby locker an, einen weltweit einzigartigen Eingriff in Funktion und Handling des Internets vorzunehmen. Hauptsache, Springer & ‚Co. sind zufrieden. Dass dieses Gesetz massive „Kollateralschäden“ mit sich bringen wird, ist ihnen egal, bzw. sie blicken vermutlich teilweise gar nicht durch, was sie alles mit dieser Regelung beschädigen. So haben sich deutsche Startups bereits geäußert, welch krasse, innovationsfeindliche Wirkungen das Gesetz hätte und wie sie damit umgehen würden.
Rechtsunsicherheit: Arbeitsbeschaffungsmaßnahm für Anwälte
Zwar wird von Regierungsseite betont, Blogger seien nicht betroffen, doch angesichts der Formulierungen im Gesetz kann man das mit Fug und Recht bezweifeln. So schreibt Stefan Krempl auf Heise online:
Erfasst werden laut dem Regierungsbeschluss explizit auch entsprechende Dienste, die unabhängig von ihrer technischen Ausgestaltung nicht das gesamte Internet durchsuchen, sondern lediglich einzelne, ausgewählte Bereiche davon. Dies beziehe sich etwa auf News-Aggregatoren, „soweit sie nach Art einer Suchmaschine ihre Treffer generieren oder ihre Ergebnisse darstellen“.
Jan Mönikes, Justiziar des Bundesverbands deutscher Pressesprecher, befürchtet, dass diese Formulierung auch Anbieter umfasst, die in anderer Weise als die eigentlichen News-Aggregatoren „in irgend einer Weise automatisiert kostenlos verbreitete und frei zugängliche Inhalte“ auf ihren Seiten verarbeiten. Eingeschlossen seien etwa auch Zusammenstellungen von RSS-Feeds und Twittermeldungen, wenn der Blogbetreiber als „gewerblicher Anbieter“ anzusehen sei. Der tatsächliche Geltungsbereich der Vorschrift könnte so in der Praxis uferlos werden.
Zur Frage, wer denn nun tatsächlich betroffen sein wird, schreibt Thomas Stadler auf Internet Law:
Betroffen sein könnten durchaus aber auch verlagseigene Presseschauen, wie sie zum Beispiel die SZ seit kurzem anbietet, oder Dienste, die RSS-Feeds einbinden oder automatisiert Linksammlungen erzeugen. Denn hier wird auch ähnlich einer Suchmaschine automatisiert aufbereitet. Auch wenn der Hyperlink als solcher vom Leistungsschutzrecht nicht erfasst wird, reicht es, wenn als Linktext die Überschrift des Presseartikels oder eine prägnante Textpassage gewählt wird.
Soweit SPON meint, Dienste wie Rivva seien nicht betroffen, weil sie eine Auswahl an Textanrissen und Links aufgrund einer eigenen Wertung präsentierten, so ist das eine Schlussfolgerung, die die geplante Gesetzesformulierung keinesfalls hergibt. Man hat unlängst in anderem Zusammenhang erst wieder sehen können, dass der Bundesgerichtshof auch nicht viel auf die Gesetzesmaterialien und die politischen Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren gibt.
Chancen für Blogger?
Ja tatsächlich, auch sie sind denkbar! Stellt Euch vor, das Leistungsschutzrecht ist in Kraft und Google hat die Verlage ausgelistet. Kleine Aggregatoren geben ebenfalls auf – wie wird der Leser dann zu den Informationen kommen? In die Lücke könnten Blogger stoßen, die händisch und mittels eigener Worte Artikel eigener Wahl auflisten. Nicht, dass ich auf eine solche Arbeit Bock hätte, aber gewiss finden sich da genug, die das in ihrem Themenbereich so machen werden. Auch dann ergibt sich allerdings eine Rechtsunsicherheit, denn das Gesetz soll ja auch „kleinste Teile“ von Presseartikeln erfassen. Und es wird kaum gelingen, eine Meldung so umzuformulieren, dass nicht ein einziges Wort mit dem Original überein stimmt.
Bürger nicht betroffen?
In der Präambel zum Gesetzesentwurf heißt es:
Die vorgeschlagene Regelung bedeutet damit keine Änderung der Nutzungsmöglichkeiten anderer Nutzer und für Verbraucher. Ihre Rechte und Interessen werden durch das vorgeschlagene Leistungsschutzrecht für Presseverleger nicht berührt.
Diese Behauptung ist geradezu eine Unverschämtheit! Von den Folgen dieses Gesetzes werden ALLE betroffen sein, nämlich durch eine massive Einschränkung, sich über einen Sachverhalt bzw. ein Ereignis schnell quer über viele Quellen zu informieren. Wer glaubt, heute hätte man noch Zeit, mehr als drei Nachrichtenseiten persönlich abzuklappern, träumt! Und deshalb wird das Gesetz auch den Großen dienen (bzw. „weniger schaden“) und die Kleinen kaputt machen. Aber das interessiert Schwarz-Gelb ja schon lange nicht…
Hier noch ein toller Film zur Entstehungsgeschichte des Gesetzes, das auf dem Mist eines einzelnen Springer-Mitarbeiters gewachsen ist:
Mehr dazu:
Ein unmögliches Gesetz – iRights.info;
Das Internet war eine Episode der Freiheit – Perlentaucher;
Die Scheinargumente für ein Leistungsschutzrecht – Stefan Niggemaier;
Noch ein Rettungsschirm – Udo Vetter;
Willkommen im vergangenen Jahrhundert, Deutschland! – Thoma Knüwer;
Leg Dich nicht mit dem Türsteher an! – Uwe Mommert;
Erklärungen zum Gesetzesentwurf (Parteien, Beteiligte, Blogger etc.) – Netzpolitik.org
Lex Google: Viel Kritik, wenig Lob für Leistungsschutz-Gesetz – ZEIT ONLINE;
Die Verlage sind neidisch – Anna Sauerbrey / Tagesspiegel
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2 Kommentare zu „Leistungsschutzrecht: Mit Volldampf zurück in die 90ger“.