Claudia Klinger am 09. März 2010 —

Über Wertschätzung, Dankbarkeit und gekürzte RSS-Feeds

Zwar zähle ich nicht zu den regelmäßigen Leserinnen des Basic-Thinking-Blogs, doch berührt mich der Streit um das ökonomisch begründete Kürzen der RSS-Feeds durchaus. Die Reaktionen auf den Entzug der Möglichkeit, die Artikel auch fern der BT-Website zu lesen, lassen zwei Lager erkennen, die sich nun gegenseitig beharken:

  • Die einen kündigen den gekürzten Feed und beschweren sich über die Zumutung, mit „einem Mausklick mehr“ den Quelle aufsuchen zu sollen: Zu unbequem, zu weit weg vom eigenen „Workflow“ – und überhaupt: Infos gibt es doch wie Sand am Meer, was schert uns da der Wunsch, auch Geld mit Werbung zu verdienen?
  • Die anderen finden den Schritt zu gekürzten Feeds ok und prangern den Egoismus der Ersteren an, die auf der Kultur des Kostenlosen beharren und immer nur nehmen, aber nichts geben wollen. Wo bleibt die Dankbarkeit für die ganze Arbeit? Warum gönnt man den Bloggern ihre Werbe-Peanuts nicht?

Klar, dass die Basic-Thinking-Schreiber mit einigem Unmut auf die Kündigungs-Ankündiger reagieren. Bemerkenswert, dass sie gerade dadurch für etliche Leser wieder interessant werden – auch für mich.

Ist Aufmerksamkeit das einzige, was zählt?

Um eine tief schürfende Analyse bemüht sich Michael Seemann. In Fullfeeds, Gewalt und eine Skizze des „Zweiten Markts“ führt er aus, dass für Informationen bald gar nichts mehr in Geld oder anderen Leistungen (der unbequeme Klick mehr) bezahlt werde. Und zwar deshalb, weil im „zweiten Markt“ der Aufmerksamkeit der Wert der Information durch die Nachfrage nach Aufmerksamkeit aufgehoben werde: Wenn sehr viele Publisher um diese konkurrieren, kann man nicht erwarten, dass der Aufmerksamkeits-Verteiler (Leser) noch irgend etwas anderes für die erbrachte Leistung geben werde als eben diese Aufmerksamkeit. In dieser Sicht ist es der Blogger, der dankbar zu sein hat, weil ihm der Leser seine kostbare Lebenszeit als Aufmerksamkeit schenkt.

Aus meiner Sicht verschränken sich hier zwei Betrachtungsweisen zu einer Vernebelung der Tatsachen: es ist ein großer Unterschied, ob ein Just-for-fun-Blogger nach Bock-Prinzip die Welt mit seinen Beiträgen beglückt, oder ob jemand eine professionelle und verlässliche Dienstleistung erbringt, die zwangsläufig nicht nur Spass, sondern auch Mühe macht – und zwar regelmäßig und verlässlich.

Natürlich kann man jedem, der das tut, sagen: Du hast es dir ausgesucht, also beschwere dich nicht. Lass es doch sein, wenn es dir nicht genug gibt, einfach nur die Leserzahlen zu betrachten!

Diese realen Leserzahlen sprechen allerdings (im Fall Basic Thinking) dafür, dass es sich doch offenbar um eine nachgefragte Leistung handelt. Warum also nicht die Versuche der Macher, sich zu „refinanzieren“ unterstützen? Wäre es denn wirklich so toll, wenn alle interessanten Medien-Macher/innen ihr Tun einfach aufgäben, weil es für die weniger freudigen Aspekte regelmäßiger Arbeit keinerlei Gegenleistung gibt – und sei es nur durch Werbe-Einnahmen?

Die obercoole Sicht der Dinge gebiert eine kalte Welt

„Ich lese Texte doch nicht aus Dankbarkeit“ schrieben einige der Kommentatoren. Nein, natürlich nicht. Dankbarkeit ist ein Gefühl, dass sich DANACH einstellen kann, nämlich dann, wenn man etwas geschenkt bekommen hat und nun bereichert ist, selbst aber nichts dafür zurück gegeben hat.

Raphael Raue schreibt zur recht emotional geführten Diskussion auf BT:

„Warum muss es immer so Kuschelig in Bloghausen sein? Man muss sich nun wirklich nicht als Arschlöcher titulieren, aber muss es immer menschlich im Sinne von Danke für Alles sein? Dankt ihr jedes Mal eurer Fleischfachverkäuferin im Supermarkt, dass sie die Schnitzel für euch paniert hat? Natürlich sagt man Danke, aber als Floskel, im Sinne eines höflichen Umgangs, nicht mehr und nicht weniger. Wenn das Schnitzel woanders besser oder billiger ist, geht man dahin, ohne nochmal in den Laden zu rennen und zu brüllen, dass man jetzt nicht mehr hierhin kommt. Man kommt nicht mehr und der Supermarkt muss schauen, ob er das Schnitzel besser oder wieder billiger macht. Sein Problem, kümmert keine Sau.“

Genau diese Einstellung erzeugt eine Konsumwelt, aus der der Mensch mehr und mehr verschwindet, bzw. nur noch als „Klick-Vieh“ gesehen wird. „Besser und billiger“ ist allermeist eine Illusion, selbst wenns im Ausnahmefall mal auf das Produkt bezogen stimmt, so hat das „billiger“ doch bei den Arbeitsbedingungen und bezüglich der Umwelt Folgen. Und dann klagen alle über zunehmende Depressionen in unserer Gesellschaft, klar!

Wertschätzung, Persönlichkeit und Gefühl

Basic Thinking macht derzeit eine Welle, weil die Schreiber Gefühle gezeigt haben und als Personen „greifbarer“ wurden. Das „Blog“ ist ansonsten nicht wirklich gut geeignet, Wertschätzung für Personen zu vermitteln, da es berichtet und agiert wie ein klassisches IT-Magazin. Und doch gilt auch da: Wer Basic Thinking so gut findet, dass er es nicht missen will, wird sich zum zusätzlichen Mausklick bequemen – der Rest verliert sich halt im reissenden Info-Strom.

Bei klassischen Blogs ist das ein wenig anders: Wer sich als Person zeigt, wird bei den Lesern auch persönliche Sympathien oder Antipathien ernten. Und im Fall der Sympathie agieren durchaus schon viele so, dass sie die Möglichkeiten nutzen, dem Blogger „etwas zukommen zu lassen“. Man sieht ja, welche Wege sich dafür jeweils anbieten: monetäre und andere.

7 Wege, einem Blog zu nutzen

  • Man hinterlässt einen Kommentar, setzt einen Link, oder nutzt einmal im Jahr eine evtl. vorhandene Spenden-Möglichkeit;
  • Man kann auf vorhandene Ads klicken, bevor man die Seite verlässt;
  • Man schaltet seinen Werbeblocker ab (=Ausnahme), sofern man einen nutzt;
  • Man ruft das Blog aus dem Feedreader heraus auf;
  • Man kauft vorhandenen Bedarf über Affliliate-Banner und Buttons, falls vorhanden;
  • Man löscht die Cockies nach dem Kauf nicht, um dem Blogger, über dessen Seite man kam, evtl. weitere Cents Provisionen zu gönnen;
  • Man bucht den Blogger bei Bedarf im Bereich seiner „sonstigen Angebote“, kauft sein Buch/E-Book und/oder empfiehlt ihn weiter;

Diese Möglichkeiten werden vielfach genutzt – das weiß ich aus meinem Bekanntenkreis und aus 14 Jahren „bloggen“ (seit ’99 auf dem Digital Diary). Es gibt nicht nur diejenigen, die einfach nur nehmen, jedoch nie etwas geben. Und wenn es wirklich einfach wäre, mal eben per Klick ein paar Cent zu übertragen, ginge da auch was – nicht bei allen, aber bei denjenigen, auf deren Arbeit man ungern verzichten würde!

***
Auch zum Thema:

Interview mit Redaktionsleiter André Vatter: Basic Thinking und der Web-Mob (MEEDIA)

Ohne viel Feederlesens – marketing-blog;

Ich bin dankbar – Claudia Kilian;

Warum es das KoopTech-Blog ohne RSS-Feed nicht mehr gäbe – KoopTech;

Gekürzte Feeds und Blogs monetarisieren
– Peruns Weblog;

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
9 Kommentare zu „Über Wertschätzung, Dankbarkeit und gekürzte RSS-Feeds“.

  1. […] Klinger schreibt in Webwriting Magazin über Wertschätzung, Dankbarkeit und gekürzte […]

  2. RSS Feeds…

    Im Webwriting Magazin und anderswo läuft grad eine wilde Diskussion, weil Basic Thinking grad den RSS-Feed gekürzt hat, um das Blog besser zu monetarisieren – es gibt nur noch Anreißer per RSS und für den Volltext muß man den Artikel klicken. Das …

  3. Etwas, was mich an Buzz stört, ist genau dieser Umstand, das teilweise da nun die kompletten Beiträge aus dem Ursprungsrahmen rausgelöst komplett erscheinen. Ich habe ja nie spezielle Reader genutzt, deswegen kannte ich das bis dahin gar nicht.

    Jemand (Stefan) meinte mal, das genau das Web 2.0 eben auch bedeutet: Inhalt losgelöst vom Ort. Mir behagt das aus eher persönlichen Gründen nicht, aber eben auch, weil ich wenigstens Aufmerksamkeit „bezahlen“ möchte, daß ist für mich das mindeste.

    Buzz (als Beispiel, das ich so eben nur kenne) in seiner aktuellen Version zeigt jetzt schon deutlich, das es nicht mehr auf Anhieb erkennbar ist, wer den Inhalt produziert hat und in welchem „Produzentenrahmen“ das ganze stattfand.

    Das mag technisch schick und toll und fluffig für die Information sein wie sie da hin und her durchs Netz geschossen wird, aber zwischenmenschlich find ich das suboptimal. Und ich persönlich auch sehr schlecht von der Möglichkeit einer weiteren Einordnung eines Textes über seinen eigentlichen Inhalt hinaus. Dazu brauch ich zumindest den Rahmen, in dem ein Text erschienen ist. Ich brauch den hauch einer Chance, den menschen hinter dem Text einordnen zu können, und sei es durch weitere seiner Texte, seiner Umgebung, in dem er Texte publiziert etc..

    Die Aufmerksamkeit (oder eben: den Lohn, egal welcher Art, Aufmerksamkeit, Werbungsgeld, Kommentare) bekommt immer mehr der Weiterversender, nicht der Ersteller. Und alles fragmentiert noch mehr.

  4. Chräcker, du sprichst mir aus der Seele! :-)

  5. Unbefangen mit überflüssigen Diät-Seiten und Diät-Blogs umgehen und sieben Tipps, nützlichen Blogs zu nutzen…

    Das Erstere fällt mir im Moment extrem schwer. Je mehr man zu dem Thema recherchiert, desto mehr “Newcomer” findet man, die – zunehmend gut konzipiert –  meist im Bereich Internetmarketing ihren Ursprung haben und auf den “Marktplatz” drän…

  6. @Chräcker: Du hast durchaus Recht. Es wird immer schwieriger zu erkennen, wer wo was veröffentlicht hat.
    Gerade wenn wertvolle Inhalte von B oder C Bloggern verfasst werden und es von einem „Social Web Prominenten“ aufgearbeitet neu gepostet wird bekommt der meist den Hype ab.
    Das ist allerdings nicht gerade neu und ist ebenso eine Frage der Einstellung.
    Auch der Ideenklau ist eine Frage der Einstellung und gehört ebenso zu dem besagten Social Egoismus.

  7. Ich merke nur immer mehr, wie gerade Teile der Netzgemeinde (verzeiht diese auch etwas hohle verallgemeinende Etikettierung) vieles, was passiert, mit dem Zwang der Technik begründen.

    Wenn man fragt, warum dieses oder jenes so gemacht wird, weil ich es eigentlich anders zwischenmenschlich besser fände, heißt es nicht selten: das ist der Weg des Netzes, so ist das eben. „ich mach das nicht, das macht die Software“

    Die grundsätzlichen Überlegungen, wie wir miteinander umgehen wollen und wie wir den anderen honorieren wollen, wird schnell beendet (wenn überhaupt angefangen) und es sinkt auf die technischen angeblichen Notwendigkeiten ab. „Das ist heute eben so, die Technik erlaubt dieses und jenes, da kann man anderes jetzt nicht wollen oder zur Diskussion bringen“

    Meine Überlegung zu Eigentum oder zur honoration soll sich nun dem Stand der Technik anpassen.

    Ich gebe zu, da zucke ich pawlisch etwas. Bei meinen „Tätigkeiten“ im Bereich Computer wurde mir schon immer jahrelang von „Fachleuten“ gesagt, was alles eben nun mal „basta“ nicht ginge.

    Jetzt soll ich mein ethisches Gefühl auch schnellsten dem Stand der Technik anpassen?

    Genau so empfinden viele Leute da draussen. Und ich hier auch bei diesen Überlegungen, ob man Texte nun rausgelöst aus ihrem Rahmen herumschiessen soll, nur weil es eben geht und einzelne es so bequem finden.

    Da bleib ich wenigstens eine kleine Weile noch sperrig, bis mein (nicht juristisch gesehen) Rechtsempfinden nach gekommen ist.

  8. Hallo zusammen,

    habe dieses Blog erst durch die Diskussion entdeckt, hat sich also schonmal gelohnt :D

    Ich glaube das Problem ist immer noch die Anonymität, es ist ganz einfach auf BT zu schreiben das alles Arschlöcher sind und man denen keinen Cent gönnt. Im schlimmsten Fall legt man sich eine neue E-Mailadresse zu, Fall erledigt.

    Das die jüngeren unter uns das Web als kostenlosen SB-Laden sehen hat man ja auch jüngst bei einer Autorin gesehen, dort fanden das aber alle auf einmal dreist (was es natürlich auch ist).

    Ich denke das sich das „Web 2.0“ noch immer in der Entwicklung befindet und es noch lange dauert bis die geschaffenen Inhalte einen angemessenen Wert erhalten.

    Solche Diskussionen tragen aber sicherlich dazu bei.

  9. Ich denke nicht, dass deine Schlussfolgerung ganz so richtig ist. Im Netz ist zusammengerückt, was vorher nur in großen aber wohl wenig bedeutenden Worten wie Volk, Bewegung, Glaube oder Solidarität zusammen zu denken war. heute kommunizieren all diese sich weit entfernten menschen auf verschiedene Arten miteinander. Und daher ist es eine neue Situation. So weit gehe ich mit und dass hier nicht eins zu ein die alten Kommunikationsregeln angewandt werden können, gebe ich dir auch zu. Aber schon in einem Dorf finde ich es mehr als nervig, jeden grüßen zu müssen, mit jedem über das Wetter reden zu müssen. Danke, Bitte und Guten Tag gehen ja noch, aber ich halte es weniger für Ausdruck von Konsumverhalten, anonym einkaufen gehen zu können, oder Informationen erhalten zu können, als Ausdruck von Selektivität, die Teil meiner Menschlichkeit ist. Ich kann nicht mit jedem gut Freund sein und muss mich nicht mit jedem gut verstehen und unterhalten, nur weil er auch ein mensch ist, denn dann fehlt mir die Zeit für die Menschen, die ich liebe und schätze und mir ausgewählt habe als die, die mir nah sind.

    Wie viele gute Freunde kann man nebeneinander haben ohne dass es flach wird und selbst Freundschaft zum Rauschen?

    Ich will also nicht sagen, dass ich deinen Schluss gar nicht nachvollziehen kann, aber ihn einzig in die Konsumwahnecke zu stellen, kann ich nicht nachvollziehen. Distanz ist nicht immer Ausdruck von Kälte, sondern kann eben auch Wärme hindeuten, die sich nicht auf alles und jeden ausdehnt und so wieder kalt wird. Ich mag nicht jeden und müsste ich dies tun, wäre mir das Leben nicht mehr sonderlich lebenswert. Nähe hat ihre Grenzen und das sowohl im Supermarkt, als auch in der Blogosphäre.