Claudia Klinger am 04. November 2010 —

Unterstützt Flattr Rechtsradikale, weil sie das System nutzen?

„Geld verdirbt den Charakter“, vermeldet F!XMBR in einem fulminanten Rundumschlag gegen Flattr und alle Flattr-User. Der Vorwurf: Man unterstütze rechte Gruppierungen, wenn man sie (als Betreiber) nicht vom System ausschließt, bzw. als User den Dienst weiter nutzt, obwohl dem so ist.

Ich halte diese Meinung für falsch. Ein Betreiber internationaler Dienste kann und soll sich nur an die Gesetze und seine AGB halten, wenn es darum geht, wer den Dienst nutzen darf und wer nicht. Verstößt eine Person oder Gruppierung mit eingebrachten Artikeln dagegen, kann man sie raus werfen, doch nicht, so lange sie sich rechtskonform verhalten, bzw. als Partei oder Gruppierung nicht verboten sind.

Genau SO würde ich an Flattrs Stelle auch verfahren: beim ersten Verstoß bzw. irgend einem «verhetzenden» Beitrag kicken!

Hausrecht versus Infrastruktur

Ansonsten sehe ich einen gewaltigen Unterschied zwischen einem Blog, das Kommentare moderiert/löscht, und einem allgemeinen Zahlungssystem bzw. Mega-Coms & Diensten wie FB und Twitter.

Ich unterstütze die NPD nicht, wenn ich das Geldsystem nutze, obwohl das auch Rechtsradikale tun (wer weiß denn, was eine große Bank alles für Kunden hat?). Und mit einem Klick auf einen Flattr-Button honoriere ich Blog-Artikel, die mir gefallen, nicht etwa die NPD, nur weil sie das System ebenfalls nutzt. Flattr ist für mich im übrigen keine irgendwie «kuschelige Community», in der sich Menschen gleichen Geistes treffen, sondern schlicht und ergreifend eine neue Infrastruktur, um Mikro-Spenden zu verteilen.

Ich kaufe auch in Läden und Supermärkten ein, obwohl das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mir unliebsame Menschen mit politisch irren Ansichten tun. Und ich laste es auch dem Ladenbetreiber nicht an, dass er an jeden verkauft, der bezahlt und sich im Rahmen des Einkaufs an die Gesetze hält.

Die NPD ist nun mal bis heute nicht verboten, also LEGAL. Sie kann also «ganz normal» am allgemeinen Geschäftsleben teilnehmen, darf Webseiten betreiben, Druckschriften heraus geben, Angestellte haben, Wahlkampfkostenrückerstattung kassieren, das Geldsystem nutzen und vieles andere mehr. Die politische Auseinandersetzung mit solchen Gruppierungen sollte in einem Rechtsstaat nicht mittels «Rauswurf OHNE Gesetzesverstoß» stattfinden, sondern durch Information, Argumente und Gegendemos.

Und das ist gut so, denn: Wäre es anders, WO wäre denn jeweils die Grenze? Wer sollte entlang an welchen (konkreten!) Kriterien entscheiden, wer ein System nutzen darf und wer nicht?

Ach ja, und noch etwas: Wer meint, Geld verderbe grundsätzlich den Charakter, der hat schnell ein echtes Problem in unserer Waren- und Dienstleistungsgesellschaft. Selbst der Sozialstaat verteilt Geld – arme Charaktere, die da überall dran kaputt gehen!

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Siehe dazu auch
Ich als Nazi-Unterstützer?


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Diskussion

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5 Kommentare zu „Unterstützt Flattr Rechtsradikale, weil sie das System nutzen?“.

  1. bei flattr geht es nicht ums bedanken. bei flattr geht es auch nicht um die anerkennung. es geht bei flattr um den schnöden mammon.

    … heißt es bei fixmbr.

    oh mein gott. ein micropayment-system, bei dem es um geld geht. wer hätte das ahnen können!!1!

    darf ich die motive von fixmbr ehrenhaft und ihren strafenden artikel peinlich finden?

    .~.

  2. Mich müssen Sie nicht fragen, was Sie meinen dürfen! :-) Anstatt aber HIER F!XMBR mit Zitat zu kritisieren, hätte mich doch eher interessiert, was Sie an DIESEM Artikel peinlich finden.

    Es geht immerhin um ein unterschiedliches Grundverständnis vom Umgang mit unliebsamen, aber nicht ILLEGALEN politischen Gegnern, für das ich hier argumentiere. Motive mögen ehrenwert sein, doch heiligt der Zweck eben nicht jedes Mittel.

  3. Flattr-NutzerInnen unterstützen Nazis?…

    Wer Flattr nutzt, macht Geschäfte mit Nazis, Faschisten und Rassisten? Oder ist es gar so, dass Blogger und Medien Nazis damit offen unterstützen, wie es Christian Sickendieck im Blog F!XMBR ironisch überspitzt darstellt? Wie kommt er zu diesem Thes…

  4. >Genau SO würde ich an Flattrs Stelle auch verfahren: beim ersten Verstoß bzw. irgend einem «verhetzenden» Beitrag kicken!

    Gut, dies hätte somit schon viele male geschehen müssen. Man arbeitet dort (bei dieser Partei) mittels Einschüchterung und baut darauf, dass der Staat ob seiner V-Leute-Verstrickungen kein Verbot erlassen kann. Und in Schweden darf man wohl mehr als hierzulande.

    Klar, diese Spitze „jeder der dem Mammon mittels Flattr hinterherhechelt ist ein ….“ schmerzt gewaltig, soll aber auch nur ein Weckruf sein. Keineswegs erwartete man wohl, dass eine geballte Argumentationsmauer pro dieser Partei und ihrer Umtriebe aufgebaut wird. Man hätte hingegen auf der anderen Seite ein Zeichen setzen können.

    Wo man die Grenze zieht? Ganz klar bei Volksverhetzung. Wer meldet sich freiwillig für die jeweiligen Klagen? Keiner, ich fürchte mich ebenso. Zivilcourage geht eben anders, muss ich auch zu meiner Schande gestehen.

    Und zu Flattr selbst: Ich denke der damalige Support von The Pirate Bay (Peter Sunde) seitens des Rechtspopulisten Lundström in Schweden ist bekannt? So schliesst sich der Kreis wieder einmal.

    Wie gesagt, die Grenze erstrahlt im gleisenden Licht. Da entsteht kein Kolateralschaden, wenn man als deutsches Volk wenigstens einmal in der Geschichte des Landes auf der Seite der Menschen steht.

  5. @grogh: danke für deine Einlassung! Die Spitze mit dem „hinter dem schnöden Mammon her laufen“ ringt mir nurmehr ein müdes Lächeln ab. Zwischen einem Blog, das auch hier und da Geld einnimmt und einer spammigen MFA-Seite liegen für mich Welten – wer das anders sieht und alles, was ein paar Peanuts bringt, ablehnt, soll halt wegbleiben.

    „Gut, dies hätte somit schon viele male geschehen müssen.“

    Bist du sicher? Ich lese nicht auf Flattr, hab also keine Ahnung, was da so erscheint. Immerhin sind das ja dann öffentliche Web-Artikel – wagen die sich wirklich, in den strafrechtlich relevanten Bereich??? In der Vermutung, dass sie keiner anzeigt, weil die Leute sich fürchten?

    Wär mir neu, dass die Verfasser von Anzeigen bei Polizei/Staatsanwaltschaft den Tätern GENANNT werden!

    Im Grunde stimmst du mir aber mit deiner Äußerung zu, dass die Grenze bei Straftaten (wie Volksverhetzung) liegen muss. Einen Laden anzugreifen, weil dort auch Nazis kaufen, ist aber eine andere Dimension – eine, die ich persönlich ablehne.