Claudia Klinger am 17. Februar 2009 —

Wie klassische Medien online mehr Geld verdienen könnten

Thomas Knüwer fasst in seinem Artikel „Warum Paid Content für Zeitungen nicht funktioniert“ wieder einmal das Dilemma der Verlage zusammen: Fieberhaft sucht man nach Möglichkeiten, die Leser im Web für Inhalte zahlen zu lassen, damit der Transfer der Print-Zeitungen und Magazine ins Netz mit seiner Kultur des Kostenlosen nicht direkt in die Pleite führt.

Doch wie man es auch dreht und wendet: es funktioniert nicht. Nur sehr spezielle Inhalte wie etwa Produkttests lassen sich auf diese Art vermarkten. Für News, Hintergrundberichte, Reportagen und Kolumnen wäre die Zahlschranke kontraproduktiv. Sie würden drastisch weniger gelesen, nicht mehr zitiert und kaum mehr verlinkt – unmöglich für Medien, die möglichst VIELE Leser erreichen wollen.

Klassische Banner-Werbung wiederum hat das Problem, dass Googles allgegenwärtige Adsense/Adwords-Geldmaschine zu einem Verfall der Preise führte. Was hier eingenommen wird, ist im Vergleich zu Anzeigen in gedruckten Ausgaben zu wenig, um guten Online-Journalismus auf Dauer zu finanzieren. Was also dann? Wo könnte noch Geld herkommen?

Die Idee: Werdet Teil des Schwarms – aber kostenpflichtig!

Geld kann man nur mit etwas verdienen, das auch jemand haben will. Nun gibt es lange schon etwas, was unzählige Blogger, Web-Projektler, Homepage-Bastler und noch viel mehr Betreiber kommerzieller Websites ganz gerne hätten, wenn es denn zu haben wäre: Den Link zur eigenen Website im Kommentar unter dem Artikel eines gut besuchten Leitmediums.

Genau das verweigern die klassischen Medien in der großen Mehrheit auf unterschiedliche Weise:

  • Meistens gibt es gar keine Gelegenheit, Artikel zu kommentieren – oder die Diskussion wird in Foren abgedrängt.
  • Wo kommentiert werden darf, sind Links zur Homepage in den Eingabemasken nicht vorgesehen.
  • Links im Text sind vielfach ebenfalls verboten.

Das krampfhaft verlinkungsfeindliche Verhalten betrifft nicht nur die Kommentare, sondern zieht sich auch durch die Artikel, in denen jeder Link nach außen penetrant vermieden wird. In einer medialen Umwelt, in der die Leser es zunehmend gewohnt sind, über die zur Sache oder Person angegebenen Links ein Thema auf eigene Faust zu vertiefen, bestehen die „klassischen“ Medien darauf, sich als Sackgassen des Netzes zu profilieren.

Und all das, um den Wert ihrer Werbe-Plätze  nicht durch Außenlinks zu schmälern: Anzeigen, deren Preise sowieso verfallen und deren Abrechnungsweise nach Pageviews zu diesen elenden „Klick-Strecken“ führt, die echte LESER wirklich nerven – manche so sehr, dass sie nicht mehr kommen.

Die Alternative:

Man stelle sich ein Leitmedium vor, dessen sämtliche Artikel (außer den Kurzmeldungen) für registrierte Leser kommentierbar sind.   Selbstverständlich kann man kostenlos kommentieren, doch muss Premium-Mitglied werden, wer einen Link zur eigenen Seite (Website, Blog, SN-Profil…) mit dem Kommentar verbinden will.

Um das nicht überhand nehmen zu lassen, könnte man es kontingentieren:

  • Premium darf 10 mal pro Monat verlinken,
  • Premium plus 20 mal
  • Premium Gold 50 mal

oder ähnlich. (Es könnten auch ganz andere Zahlen sein, je nach Charakter des Mediums und Frequenz der Artikel).

Das Ganze zu massenkompatiblen Preisen zwischen 5 und 15 Euro/Monat – evtl. noch verbunden mit ANDEREN werthaltigen Benefits. Bindet man ein Micropayment-System ein, wäre auch „Pay per Link“ denkbar.

No follow! Na klar…

Damit die große Suchmaschine, von der wir alle abhängen, nicht irritiert wird, und die Kommentargespräche nicht zu bloßen „SEO-Link-Kommentaren“ verkommen, wären das alles selbstverständlich NoFollow-Links! Es ginge einzig um die VERNETZUNG, um das Zulassen der Möglichkeit, dass Leser dem Kommentarlink folgen, weil sie MEHR von diesem Kommentierer wissen und lesen wollen.

Bestimmte unerwünschte Inhalte (etwa Porno- und Casino-Seiten) könnte man per AGB ausschließen – es wäre auch denkbar, mit ein wenig menschlicher Arbeit die vom Mitglied bei der Anmeldung anzugebenden Home-Seiten erst zu sichten und dann „frei zu schalten“.

Leitmedien statt Sackgassen

Um die mehrdimensionalen Wirkungen solch eines beherzten Strategiewechsels plastisch auszumalen, ist dieser Artikel bereits zu lang. Das überlasse ich jetzt mal der kreativen Fantasie der Leser – da fällt Euch doch sicher einiges ein!?

Von mir selber weiß ich, dass ich bisher kaum mal auf einem der Großmedien kommentiere, weil mir dort das Verlinken zu den eigenen Blogs nicht gestattet wird und ich andere Kommentierer nicht kontakten kann. Es erscheint geizig, abweisend und unsozial. Ich fühle mich da oft als bloßes „Klick-Vieh“ behandelt, dessen Interessen hinter dem ganzen Werbe-Geflimmer zurück stehen müssen. Also verlinke ich die Artikel auch ungern in meinen Blogs, denn ich weiß ja: das ist eine Einbahnstraße.

„Großmedien“, die sich dem Verlinken ins weite Web öffnen, wären dagegen schnell große Knoten im Netz: Leitmedien im Schwarm, deren Bestehen man gerne mit ein paar Euro mitfinanziert.

Wer bestimmten Medien schon im Print freundlich gesonnen war und den Auftritt im Web (bei aller Kritik im Einzelfall) ja durchaus nutzt und schätzt, wäre bald bei „seinen“ Medien Mitglied – ganz so, wie man früher seine Zeitung abonniert hatte.

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Zu möglichen Geschäftsmodellen siehe auch:

Freshzweinull: Ideen zu verschenken: Beiträge per Mausklick mit einer Spende belohnen
SPON: Journalismus: Panik ist kein Geschäftsmodell

Diskussion

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22 Kommentare zu „Wie klassische Medien online mehr Geld verdienen könnten“.

  1. Hi,

    hab ja schon vor 5 Jahren gesagt, dass du statt schreiben und Webdesign auch Medienberatung machen könntest. Stell dir vor, die hätten all die Jahre auf dich gehört ;)

  2. Hi Oliver:
    es reicht, ab und zu einen Artikel mit neuen Ideen zu schreiben – was passt, wird sich schon durchsetzen.
    Auf meinem einstigen Missing Link Cyberzine forderte ich 1998 im Beitrag Glückliche Webwerbung – Ideen für das Rendezvouz von Kultur & Kommerz neuartige Agenturen, die frei einbindbare Mini-Anzeigen auf jede Webseite vermitteln. Es hat dann noch ein bisschen gedauert, bis Google das anging… aber immerhin! ;-)

  3. Das hört sich für mich nach einer ziemlich pfiffigen Idee an!

  4. Hast du den Link zu diesem deinem Beitrag schon an die diversen Redaktionen der Online-Medien geschickt? Solltest du vielleicht machen … ;-)

  5. Für „Nofollow-Links“ hab ich wenig übrig, manchmal ist es mir auch egal – wenn ich etwas kommentieren will, brauch ich dafür keinen Backlink. Aber dafür zahlen möchte ich auch nicht.
    Was die Werbung betrifft: Da wären alle Seitenbetreiber besser beraten, den Platz, den sie zur Verfügung stellen, knapp zu halten.

  6. @Klaus-Peter: wenn ich etwas kommentiere, das ich für wichtig genug halte, tue ich das meist nicht, um dem Autor ein Erfolgserlebnis zu vermitteln oder Mitleser zu unterhalten.

    Nein, es geht mir in der Regel um etwas. Ich formuliere ein Anliegen, einen Einwand, einen weiterführenden Gedanken und will nicht, dass mein Text nur als willkommener „User generated Content“ wahrgenommen wird.

    Ich will mit meinen Anliegen ernst genommen werden. Und dazu gehört von Seiten der „Veranstalter-Plattform“, dass man mir nicht die eigenständige Vernetzungsmöglichkeit mit ähnlich Gesinnten verweigert! (Und zwar in beide Richtungen: hin zu meinen Heimat-Seiten für die, die das wollen – und für mich zu den Seiten der Anderen, sofern sie den Weg eröffnen (den Link setzen) wollen.

    Gespräche im Web sind nicht nur schmückende Leserbriefe, sondern soziale Ereignisse – sie zu fördern bringt GELINGEN! :-)

  7. […] Wie klassische Medien online mehr Geld verdienen könnten (tags: icommented) […]

  8. links for 2009-02-18…

    EtherPad: Realtime Collaborative Text Editing
    EtherPad lets multiple people work on the same text simultaneously.
    (tags: edit wikis collaboration ****)

    Web 2.0 Write – everyt…

  9. Das wirkliche Problem ist wohl die Erziehung der großen grauen Masse. Das Netz ist umsonst. Das ist doch der Basissatz auf dem sich alle Netzaktivitäten erstmal bewegen. Dem User da ein kostenpflichtiges Angebot zu „verkaufen“ dürfte mittlerweile extrem schwierig sein….der Kunde ist einfach verzogen.

  10. Backlinks zu kommerziell betriebenen Seiten dem Sitebetreiber zu berechnen, diese Methode nutze ich in meinem Versuch eines Blogs schon seit längerem erfolgreich – zur Abschreckung. Funktioniert ausgezeichnet: Kommentare wie Nr. 8 hier finde ich bei mir angenehm selten.

  11. @Jens: wenn allerdings die großen Medien gänzlich verschwänden, wäre das auch nichts – wenn du mal all die Aggregatoren anschaust, siehst du, dass sie einen großen Anteil der relevanten Artikel beisteuern, auf die sich Blogger dann beziehen. Ich denke schon, dass die Problematik der Finanzierung so langsam in die Köpfe dringt!

  12. @Michael: Kommentar Nr.8 ist KEIN „böser“ Kommentar, sondern Trackback der Links des Tages von Oliver Gassner, der dankenswerterweise diesen Beitrag in seine Empfehlungen aufgenommen hat!

  13. Hallo, ein interessanter Gedanke. Nur glaube ich, dass auch da eine „Verengung“ der journalistischen Berichterstattung stattfinden würde. So würden viele Firmen oder Recruiter gerne einen Link unter einen „Fachkräftemangel“ -Artikel setzen, aber andere Themen würden linklos bleiben und evtl. dem nächsten Sparprogramm zum Opfer fallen. Nicht alles ist so einfach monetarisierbar.

  14. Ein Großmedium bringt ja doch VIELE Artikel zu VIELEN verschiedenen Themen. Und der „verlinkungsberechtigte“ User könnte wählen, womit er sich verlinkt. Da es genug Leute gibt (sehe ich auf meinen Blogs), die sich auf Teufel komm raus gerne verlinken, sehe ich die Gefahr „linkloser Artikel“ eher nicht. Zudem wäre das nur beim „pay per Link-Modell“ finanziell schädlich, nicht aber beim Kontingent-Modell. Es sollte halt mal jemand probieren! Die Denke, dass solche Außenlinks Leser „abziehen“ ist einfach falsch und kurzsichtig: gut, sie schauen sich dann auch manch andere verlinkte Seite an, sie kommen aber auch gerne wieder und verlinken selbst verstärkt auf das Medium.

  15. […] WebWriting-Magazin: Wie klassiche Medien online mehr Geld verdienen könnten « Neues Handbuch von Dialog-Experte Torsten Schwarz […]

  16. […] Lesen 1 WebWritingMagazine […]

  17. @chris: es gäbe eine Menge Leute, die mehr zahlen würden! Und Kontingentierung ist m.E. wichtig, sonst wird da schnell nur noch verlinkt und nicht mehr sinnvoll kommentiert – es würde dann auch für die Verlinkenden sinnlos, denn niemand liest mehr Kommentarlisten mit hunderten Kommentaren und wenig Inhalt!

  18. […] Weiterlesen >> […]

  19. zuerst einmal, von solchen Werbemethoden wie die Person über mir distanziere ich mich ausdrücklich..
    Solche Pyramidensysteme auf solch eine Art und Weise zu vermarkten ist unterste Schublade.

    Zum Ursprungsthema zurück…

    Wieso für Links Geld zahlen, wenn ich mit meinen Beiträgen schon den Content bereitstelle?? Ich schreibe für diese Medien durch meine Beiträge doch schon den Text!! Normalerweise sollten die Printmedien doch dankbar dafür sein, oder muss ich wenn ich der SZ einen Leserbrief schreibe auch etwas zahlen?? Dieser Backlink sollte einfach als entgegenkommen für meine Arbeit gewertet werden uns selbstveständlich nicht nofollow gesetzt werden.

  20. Ich kann mich meinem Vorredner nur anschliessen. Geld dafür bezahlen, dass man ein Medium mit Leben füllt – in Zeiten wo so mancher Webseitenbetreiber für Kommentare sogar schon bezahlt oder Preise auslobt? Ich glaube das kann auch nicht funktionieren…

  21. […] Lesen 1 WebWritingMagazine […]

  22. […] Zeitungen wie die New York Times sollten in geförderte Non-Profit-Organisationen verwandelt werden, fordern die beiden Finanzanalysten David Swensen und Michael Schmidt als Lösung für die aktuelle Print-Medienkrise, die die Meinungs- und Pressefreiheit gefährde. In einem Gastkommentar in der New York Times vom 28. Jänner 2009 veranschlagen sie für die New York Times eine jährliche Unterstützung von fünf Milliarden Dollar. Damit haben sie eine Diskussion gestartet, der sich auch Steven Coll, zweifacher Pulitzer-Preisträger und ehemaliger Mitherausgeber der Washington Post, anschließt: Er kalkuliert mit einer jährlichen Förderung von zwei Milliarden Dollar für die Washington Post, berichtet die ORF Futurezone. Das Thema reicht aber bereits weiter zurück: Die Journalistin Bree Nordenson setzte sich bereits im August 2008 mit den finanziellen Problemen der Print-Medien durch die Konkurrenz des kostenlosen Online-Contents auseinander – und ihre Forderungen waren durchaus ähnlich ungewöhnlich für US-Verhältnisse (auf K2 war darüber zu lesen). > Mehr dazu: K2: Die Antworten deutscher Verlage auf die Finanzkrise WebWriting-Magazin: Wie klassiche Medien online mehr Geld verdienen könnten […]