Claudia Klinger am 24. September 2007 —

Mit dem Bloggen aufhören?

Ein Gespenst geht um in der Blogosphäre: die Lust am Untergang. Seit der BlogScout das Handtuch geworfen hat, weil er mit seinen Charts ungewollt die Konzentration auf „Schwanzvergleiche“ förderte, sind Abgesänge, Brandreden auf die Verlotterung der Sitten und Abgänge mit großem Knall an der Tagesordnung. Manch einer hört auf, weil er die rechtlichen Risiken nicht mehr tragen mag, doch meist geht es um Frust und Ärger, um Enttäuschung und den Zerfall idealistischer Vorstellungen von der „Blogger-Gemeinde“, die der sich allzu schnell differenzierenden Realität nicht mehr standhalten. Etwas leiser verschwinden diejenigen, die erkennen, dass es auf Dauer nichts bringt, rund um eine inhaltliche Leere ein „erfolgreiches Blog“ mit Marketing-Mitteln krampfhaft am Laufen zu halten – und dass das auch gar nicht so leicht ist wie gedacht. (Wer auf angenehm entspannte Weise in die aktuelle Diskussion eintauchen will, lese den blogherbstmonolog in den Reisenotizen von Andrea und die Kommentare).

Als mein Feedreader letzte Woche dann auch vom Onezblog einen Artikel mit dem Titel „Ich höre auf zu bloggen“ meldete, fand ich das traurig, denn Raphael Raues Artikel hatte ich immer gerne gelesen: manchmal ein wenig weitschweifig, so waren sie doch inhaltsreicher und „persönlicher“ als die oft üblichen „Info-Häppchen“, die so manches Blog füllen. Und er hatte doch gerade erst sein Design „mainstreamiger“ gestaltet – zu meinem Leidwesen, denn das alte fand ich klasse, gerade WEGEN seiner individuellen und unverwechselbaren Ausstrahlung. Und jetzt also plötzlich das Ende?

Zum Glück wird manches nicht so heiß gegessen, wie es eine fetzige Überschrift vermuten lässt, denn nach der Überschrift „Ich höre auf…“ heißt es dann weiter:

„…wenn auch nicht ganz, sondern nur auf die Art und Weise, wie ich diesen Blog im letzten halben Jahr geführt habe. Ich habe mir ein Ziel gesteckt, das Feuilleton der Blogosphäre zu werden und mich darin irgendwie verfangen, verheddert und dadurch die Lust am Bloggen, ja fast sogar am Schreiben verloren. Das habe ich vor allem wären meines Monats in Tschechien festgestellt, in der ich geschrieben habe ohne an dieses Blog zu denken. Es hat viel mehr Spaß gemacht.
Ich habe mir ein riesiges Brett vor den Kopf genagelt, im Streben nach Qualität habe ich ganz einfach den Faden verloren. Die Motivation lag bei allem, außer dem Schreiben selbst und das kann ich so nicht für mich akzeptieren.“

Glückwunsch! Es freut mich, wenn jemand merkt, dass er sich verrannt hat und sich dann nicht scheut, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Verrannt im „perfekt bloggen wollen“ mit allem, was heute so dazu gehört und in Gestalt unzähliger „Blogtipps für Einsteiger“ locker Tsunami-Format annimmt, wenn man nicht genau weiß, was man will und was nicht.

Speicher löschen – neu starten

Um die eigene Motivation, die ganz persönliche Lust am Bloggen wieder zu finden, ist eine Pause oder eine „back to the roots“-Phase der Besinnung tatsächlich sehr hilfreich. Gerade die Freiheit, im eigenen Blog zu tun und zu lassen, was man gerade mag, ist der wesentliche Ausgangspunkt aller Freude am Bloggen – und das umfasst für mich auch die Freude über ein paar Werbeeinnahmen, wenn diese nicht dazu führen, dass aus dem Autor ein bloßer Geschäftsbetrieb ohne Inhalt (!) wird.

Nichts gegen Geschäftsbetriebe, ich will hier die mit harten Bandagen geführte „Kommerzdiskussion“, wie sie nicht zum ersten Mal durchs Web schwappt, nicht erneut wiederkäuen. Mir geht’s um den oft erstmal nicht weiter bemerkten Sog, der von jeglicher Professionalisierung ausgeht: man hat etwas GUT gemacht, ist in der Sache im Lauf der Zeit besser geworden – und auf einmal ist da „was richtig Nützliches“, das von anderen auch nachgefragt wird. Lob und Erfolg kommen Hand in Hand mit ERWARTUNGEN und ANFORDERUNGEN unterschiedlichster Interessenten und schwupps, bin ich nicht mehr am „lustvoll bloggen“, sondern „strebe nach Qualität“, wie es Raphael (Onezblog) so treffend formulierte.

Besitzstand wahren

Man beginnt, das Erreichte als Besitzstand anzusehen, denn man gerne halten, nicht gefährden und auch mehren möchte. Nun werden „SEO-Aspekte“ wichtiger, das Design wird mainstreamiger, man macht sich mehr Gedanken darüber, was Besucher suchen könnten als darüber, was man gerne schreiben will – und man schreibt jetzt regelmäßig, zur Not „irgendwas“, weil es dem Publikum angeblich nicht zuzumuten ist, mal nichts Neues vorzufinden.

So wird der eigenen Lust am Schreiben und „mit der Welt kommunizieren“ nach und nach der Boden entzogen. Womöglich findet man das auch noch „ganz normal“. Schließlich sind wir ja irgendwie dazu erzogen, dass „richtige Arbeit“ auch stresst und nervt – wer also über das bloße Hobby-Bloggen für Freunde und Bekannte hinaus wächst, ist leicht gefährdet, nun der scheinbar einzigen Alternative zu verfallen: das Blog als Geschäftsbetrieb, dessen Chef und Angestellter man in Personalunion ist, strampelnd und sich von früh bis spät „um Qualität bemühend“ – wobei ANDERE ansagen, was das jeweils sein soll.

Die EIGENE Qualität entwickeln

Was dabei leicht vergessen wird, ist die Qualität, die bereits vorhanden ist: die EIGENE Qualität. Warum sind denn bisher Leser gekommen? Doch deshalb, weil man Ansprechendes geschrieben oder gezeigt hat, in einem Design, das dem eigenen Gefühl entspricht, in einer Rhythmik, die das „Bock-Prinzip“ diktiert und niemand sonst. Warum soll das auf einmal nicht mehr „gut genug“ sein? Was drängt dazu, sich den allseits kolportierten Vorstellungen zu unterwerfen, wann, wie oft, wie ausführlich, wie bunt geschmückt oder bleiwüstenmäßig die eigenen Beiträge zu sein hätten? Sich alledem anpassen heißt austauschbar werden, in der Masse verschwinden, den Draht zum „inneren Schreiber“ verlieren und bloßer Zulieferer eines Unterhaltungsbetriebs auf wenig originellem Niveau zu sein.

Lustvolle Professionalisierung

Manche wollen das so, bitte schön! Das sind aber nicht diejenigen, die darüber nachsinnen, mit dem Bloggen aufzuhören. Sich an ihnen zu reiben, heißt, seine Zeit mit falschen Gegnern zu verschwenden. Ich reg‘ mich ja auch nicht auf, dass es Supermärkte und Fachgeschäfte, Discounter und Marktstände gibt, sondern bin glückliche Freiberuflerin, die täglich den Grenzgang zwischen Lust und Pflicht, Freude an der Sache und nerviger Routine aufs neue geht und das spannend findet. Wobei das Ziel trotz phasenweiser Ablenkungen und Irrtümer immer wieder klar wird: Ich will mein Geld mit Dingen verdienen, die mir Freude machen: MAXIMALE FREUDE, nicht nur dieses resignierte „ganz ok finden, was man macht“. Webseiten bauen wurde so „beiläufig“ zur Erwerbsquelle, meine Lust an Mitschreibprojekten und kollaborativen Experimenten kondensierte in den Schreibimpulse-Kursen, und das Webdiary-Schreiben seit 1998 heißt heute halt bloggen. Dass es nun auch zum Einkommen beiträgt, setzt diese Reihe „lustvoller Professionalisierungen“ nur konsequent fort.

„Mit dem Bloggen aufhören“ ist keine Lösung, wenn man gerne schreibt und publiziert. Wer sein Tun zur lustlosen, aber marktgängigen Maloche gemacht hat, kann damit auch wieder aufhören und – nach einiger Innenschau und Neuorientierung – wieder so bloggen, wie es wirklich Spass macht. Wer sich jedoch vor allem über eine „Szene“ definiert und motiviert, hat verständlicherweise ein massives Problem, wenn die jeweilige Gruppierung sich verändert, wenn andere „Gurus“ gehört werden und auf einmal das „Wir-Gefühl“ verschwindet. Das kann richtig weh tun, doch hilft auch hier die Besinnung auf das Eigene: Was will ICH machen – unabhängig von allen, die mir bisher wichtig waren?

Blogs, die nach solchen Frust- und Ausstiegsphasen entstehen, sind dann wieder besonders spannend!

Diskussion

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21 Kommentare zu „Mit dem Bloggen aufhören?“.

  1. Nicht den Kopf hängen lassen. Es gibt auch noch Leute, die mit einem neuen Blog beginnen :-)

  2. Hach, Claudia, du sprichst mir ja sowas von aus dem Herzen!!! Ich habe mich auch kreuz und quer durch die Blogger-Einsteiger-Literatur gewühlt, dabei sicher auch viel Nützliches gelernt. Und jetzt, wo ich Routinen entwickelt habe und die Technik mir nicht mehr alle Naselang ein Bein stellt, kommt zum Glück der Spaß am Schreiben und die Lust daran auch wieder mehr durch. Wobei, das Experimentieren mit den „empfohlenen“ Formen hat ja auch irgendwie Spaß gemacht, wenn ich so darüber nachdenke … Ich glaube, für das Bloggen gilt wie für alle Formen des (Selbst-)Ausdrucks: Umwege erweitern die Ortskenntnis – was im übrigen ohnehin mein Lebensmotto ist! :-) Man darf sich selbst nicht immer so tierisch ernst nehmen.

  3. Ein schönes Plädoyer und sehr leidenschaftlich. Ich denke, das ein Problem vor allem Ungeduld ist. Ich sehe viele Blogs scheitern, weil sich der erhoffte Effekt nicht schnell genug einstellt. Gleich zu Beginn stellt man sich ein riesiges Ziel – was einerseits bewundernswert ist, andererseits aber an sich schon vieles verhindern kann. Dieses Ziel bleibt unerreichbar fern, man setzt sich selbst unter Druck und gibt schließlich frustriert auf. Dabei übersehen aber viele, was sie auf dem Weg bislang erreicht haben. Und das ist immer wieder sehr schade.

    Andererseits ist es gerade dieses Experimentieren, dieses Ausprobieren und Scheitern, das die ganze Sache so interessant macht.

    Denn wie Du schon gesagt hast: Gerade dann, wenn man etwas aufgegeben hat, kann etwas noch schöneres Neues entstehen. Und falls nicht: Auch egal.

    Im schlimmsten Fall hat man einfach wieder mehr Zeit ;-)

  4. Ein paar gute Denkanstösse, vor allem auch das Zitat von Onezblog… Die Frage nach der Motivation zum bloggen ist vielschichtig. Gerade am Anfang hat sie auch mit Geduld zu tun, wie Jan schon schrieb. Bei mir stellt sich nach einigen Jahren bloggen auch immer mal wieder die Frage nach der Motivation. Allerdings weniger aus mangelnder Lust am Schreiben, sondern aus Mangel an Resonanz durch eben jene Leser.

    Eine der Kernfragen für mich, wie schafft man es, in einen Dialog mit den Lesern zu treten? Wenn man sieht, dass das blog gelesen wird, aber null Resonanz entsteht. Dann kommt gern die Aussage „ich schreibe ja nur für mich…“, woran ich nicht so recht glauben mag. Diese Frage ist für mich einer der Quellen für die Frage nach der Motivation… aber manchmal zweifle ich schon…

    Liebe Grüsse, kho

  5. @Jan: vielleicht schreib ich mal über Leidenschaft – das ist tatsächlich eine unverzichtbare Ressource, doch muss man sie im konkreten Thema, im Tun finden, nicht bloß als Streben nach dem Mega-Erfolg.

    @kho: auch das ist eine inspirierende Fragestellung: Wie bekomme ich Resonanz und lade zum Kommentieren ein?
    Ich hab‘ mir dein Blog mal angesehen und verstehe gut, dass da kaum jemand kommentiert. Es sind quasi reine „Infos“, gut aufbereitet, aber was sollte man dazu schreiben? Sowas wird passiv konsumiert, auch wenn es noch so gut gemacht ist. Um Resonanz zu bekommen, könntest du FRAGEN in den Raum stellen, Kontroversen ansprechen, Probleme thematisieren – und dich selber ganz persönlich zum Thema positionieren. Dann kommen auch Kommentare!

  6. Vielen Dank für deine Hinweise! Ja, meine Leser neigen offensichtlich dazu, die Themen eher „passiv“ zu „konsumieren“…

    Du hast Recht, ich könnte mehr Fragen stellen…

    Danke und liebe Grüsse, kho

  7. @Claudia
    Ich finde Deine Sorge, dass nun die Blogosphäre „untergeht“ etwas überspitzt. Klar, dass zwischenzeitlich der eine oder andere Blogger aufhört, aber in dieser Zeit sind wieder 5-10 neue Blogs entstanden.
    Letztens habe ich erst einen Beitrag gelesen, warum die Blogosphäre auch in Zukunft noch weiter wachsen wird …

  8. […] Wenn es gut läuft, finde ich Ruhepunkte, kleine Inseln im Meer der Beliebigkeit, wo ich mich gerne aufhalte und auch mal etwas kommentiere. Oder ich begegne Themen, die mich ansprechen und zu eigenen Artikeln inspirieren – wie neulich das Blogprojekt zum “Welt verbessern” oder die plötzlich vielerorts aufgetauchte Idee, mit dem Bloggen aufzuhören. […]

  9. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie sehr das Internet selbst noch in den Kinderschuhen steckt. Das Phänomen Bloggen wäre demnach noch ein Säugling, welches dabei ist überhaupt erstmal seine Umwelt und sich selbst wahrzunehmen.
    Da müssen ständig Irrtümer ausgemerzt werden und Konzepte überarbeitet werden. Aber eine ganze Internetpräsenz aufzugeben und dem Erdboden gleich zu machen, halte ich für eine übertriebene Reaktion. Jedes Konzept/Blog muss sich entwickeln. Wie das Beispiel von kho zeigt ist es manchmal nur eine „Kleinigkeit“ welche die gesetzten Ziele (Kommentare durch Leser) verhindern.
    Ja, auch ich bin noch blauäugig in der Blogsphäre unterwegs:), aber ich lerne täglich dazu.

  10. […] Peter eine Mail geschrieben hat, um mich aufzubauen, diesen Blog nicht zu schließen. Auch der nette Artikel von Claudia hat mich schon die letzten Wochen stocken lassen und das Ende nicht vollziehen lassen. Aber es muss […]

  11. […] Mit dem Bloggen aufhören […]

  12. Wenn man noch bedenkt, dass man laut dem letzten Urteil sogar noch für die Beiträge der Kommentare haftet ist es schon erschreckend. Solange man aber über sehr brisante Themen nicht bloggt, dürfte das Risiko ziemlich gering sein.

  13. Typisch Deutschland man sollte eigentlich seine Koffer packen und auswandern.

  14. @ Mathias

    „Solange man aber über sehr brisante Themen nicht bloggt, dürfte das Risiko ziemlich gering sein.“

    Das Problem liegt wie immer in der Definitionssache, über was man schreiben „darf“ bzw. was „tabu“ sein muss. Ich merke das bei meinem Satireblog selber, dass ich mit der Schere im Kopf schreibe, um nur ja keine unbedachte Äußerung von mir zu geben. Und ehrlich gesagt kotzt es mich an, dass wir schon wieder so weit sind, unsere Worte abzwägen und lieber die Klappe zu halten, als uns Ärger einzuhandeln.

  15. @ Marco

    Hab ich gemacht, bin jetzt in Spanien. Das gute daran, die Seiten kann man mitnehmen. :-)

  16. Zja Meinungsfreiheit ist eben in Deutschland und in aller Welt eben nur ein Wunschgedanke! Beweise gibts dafür tausende….

  17. jXdQdp bkw qewp jweqcct

  18. Mit dem Bloggen aufhören? mqwpnkru

  19. — chxnfyomof

  20. — zxsysotzhc

  21. — nuawfahs