Thema: Netzkultur & Szene

Blogs, Web 2.0 und alles, was im Netz bewegt

Claudia Klinger am 28. Juli 2013 — 9 Kommentare

Rivva verblasst – aus Gründen

Dass die Anreissertexte (Snippets) auf dem bekannten Blog- und News-Aggregator Rivva in viel zu heller Schrift erscheinen, um noch gut gelesen zu werden, hatte mich geärgert. Also auf Twitter nachgefragt, warum das so sein müsse – schließlich achten ansonsten die meisten Publisher auf gute Kontraste, um die Leser_innen nicht zu vergraulen.

rivva-blass

Die Antwort von @rivva:

Am 1.8. tritt das LSR in Kraft. Snippets erblassen nun jeden Tag bisschen mehr, bis sie schließlich gar nicht mehr lesbar sind.

Wow, das ist ja eine richtig kreative Form, dieses beschissene und schädliche Gesetz ins Bewusstsein zu heben! Von alleine wäre ich allerdings nicht darauf gekommen.

Zur Erinnerung: am 1.August tritt auf Wunsch der Verleger (hauptsächlich Springer) das Leistungsschutzrecht in Kraft, das auch „kleinste Textteile“ schützt, die nun von Suchmaschinen und anderen Aggregatoren nicht mehr ohne weiteres angezeigt werden dürfen. Das Gesetz wird auch „Lex Google“ genannt, doch trifft es eben auch viele kleine Aggregatoren und News-Seiten. Ziel der Verleger war und ist, Gebühren zu kassieren, doch Google hat sich darauf gar nicht erst eingelassen, sondern schon vor einem guten Monat bekannt gemacht, dass jeder aus den News ausgelistet wird, der nicht explizit die Genehmigung zur kostenlosen Anzeige erteilt (OptIn).

Natürlich werden wir am 1.8. die allermeisten Medien in den Google-News sehen, einschließlich jener, denen wir die Absurdität dieses Gesetzes zu verdanken haben. Aber Rivva und andere Aggregatoren haben ein Problem – und so werden wir wohl auf Rivva künftig nur noch die Titel sehen.

Claudia Klinger am 18. Juni 2013 — Kommentare deaktiviert für SZ-Recherche: ein Versuch, den Journalismus neu zu erfinden

SZ-Recherche: ein Versuch, den Journalismus neu zu erfinden

Wie fremdenfreundlich/-feindlich ist Deutschland? Wie gerecht ist das deutsche Steuersystem? Was muss Deutschland für Eltern und Kinder tun? – Das waren die drei Fragen, die im neuen Format „SZ-Recherche“ zur Leser-Abstimmung standen. Das Gewinner-Thema „Steuergerechtigkeit“ wird nun einen Monat lang journalistisch bearbeitet und die Ergebnisse in einer Artikelserie auf der SZ veröffentlicht. Auch die Fragen wurden nicht von der Redaktion vorgegeben, sondern ebenfalls aus Leser-Vorschlägen „extrahiert“. Während der Bearbeitung sind die Mitlesenden gefordert, „mitzuarbeiten“.

Mit der „Recherche“ verfolgt die Süddeutsche ein großes Ziel:

Das Experiment ist auf einige Monate angelegt und wird vielleicht sogar von Dauer sein, aber prinzipiell geht es uns um mehr als die reine Recherche. Wir wollen grundlegend herausfinden, wie wir mit Ihnen zusammen den Journalismus neu erfinden können. Die Entgrenzung von Sender und Empfänger bedeutet eben auch, dass wir Journalisten zu einem neuen Verhältnis zu Ihnen, den Leserinnen und Lesern, finden sollten, um nicht an Ihnen vorbeizuarbeiten.

Weiter → (SZ-Recherche: ein Versuch, den Journalismus neu zu erfinden)

Claudia Klinger am 02. Mai 2013 — 1 Kommentar

Anti-Drossel-Maut: Das Web der Zukunft gehört den Reichen

„Wenn Youtube zahlt, wird es nicht gedrosselt“, sagt die Telekom zu Vorwürfen, sie verletzten die Netzneutralität. Denn „ganz neutral“ seien sie ja bereit, jeden von der Drosselung auszunehmen, der bereit ist, die neue Maut zu bezahlen.

Wenn das durchgeht, kann ich mir gut vorstellen, wie das Web der Zukunft funktionieren wird: Die BigPlayer (Google, Amazon, FB, Ebay, irgendwann auch die Mainstream-Medien) zahlen für den ungedrosselten Traffic, alle anderen kommen auf die Schneckenspur: Blogs, kleine StartUps, sämtliche Homepages von Unternehmen und Freiberuflern – wer wird noch großes Interesse an solch anarchischen Web-Publikationen haben, wenn die vom wertvollen Freikontingent abgehen? Einfach mal so irgendwelchen Links folgen, sich tiefer schürfend auf Non-Mainstream-Webseiten aus aller Welt informieren, wenn die Traffic-Uhr tickt? Wer daran glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann.

Ein tolles Geschenk zum 20. Geburtstag des Webs, dass uns die Telekom da einbrockt!

***
Für den Gewinn: Warum die Telekom drosseln will und was dagegen einzuwenden ist

Claudia Klinger am 21. März 2013 — 1 Kommentar

Bestandsdatenabfrage: Das Ende der Anonymität im Netz

Künftig soll es deutschen Behörden möglich sein, mit einem einfachen Knopfdruck Personen im Netz anhand ihrer IP-Adresse zu identifizieren. Das neue Gesetz zur Bestandsdatenabfrage wird heute mit den Stimmen von CDU, PDP und SPD im Bundestag beschlossen. Es verpflichtet die „16 größten Zugangsanbieter“, eine entsprechende elektronische Schnittstelle einzurichten.

Ein Richtervorbehalt ist nicht vorgesehen, auch bezieht sich die Ermächtigung nicht nur auf mögliche Straftaten, sondern auch auf Ordnungswidrigkeiten jeglicher Art. Des weiteren soll eine „erweiterte Bestandsdatenabfrage“ auch den Zugriff auf „Zugangssicherungsdaten“ ermöglichen. Damit sind zuvorderst PIN und PUK von SIM-Karten gemeint, doch kritisiert der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar, dass das Gesetz sich aufgrund seiner offenen Formulierung auch auf Passwörter (E-Mail, Cloud etc.) beziehe. Technisch gesehen würde das bedeuten, dass die Zugangsprovider die Passwörter nicht mehr mittels absolut sicherer Hash-Codes speichern dürften. Eine allgemeine Verunsicherung des Datenverkehrs wäre die Folge, doch das interessiert den Gesetzgeber offenbar nicht.

Auf Netzpolitik.org finden sich in den Kommentaren Beispiele, welche „Ordnungswidrigkeiten“ nun recht leicht verfolgt werden könnten:

„Du lädst zum Beispiel ein Foto von Dir hoch, auf dem Du nicht angeschnallt bist. Oder Du schreibst, dass Du heute in der Stadt ein Bon-Bon Papier nicht in den Mülleimer geworfen hast. Oder Du machst ein Video von Dir als Straßenmusiker ohne Genehmigung. “ (Oliver)

Vermutlich wird derlei nicht die Hauptanwendung des Gesetzes sein, sondern eher die Identifizierung von Personen, denen Beleidigung, Verleumdung oder üble Nachrede vorgeworfen wird. Ebenso werden Rasterfandungs-ähnliche Ermittlungen möglich, wie etwa die Identifizierung aller Besucher einer Webseite. Auch Firmen, die sich durch Kritik an ihren Waren und Dienstleistungen in ihren Rechten verletzt sehen, dürften sich ebenfalls über dieses Gesetz freuen, ebenso wie die Abmahn-Anwälte.

Wer also künftig noch anonym surfen will, ist auf die wenigen Anonymisierungsdienste (z.B. Tor) angewiesen, die das noch ermöglichen (ganz sicher sind die aber auch nicht!). Ich wette aber mal, deren Nutzung wird auch bald verboten, jedenfalls verlangen das Teile der CDU.

Mehr dazu:

Bestandsdatenauskunft: Bundestag beschließt morgen Schnittstelle zur Identifizierung von Personen im Internet;

Claudia Klinger am 02. März 2013 — Kommentare deaktiviert für Das Leistungsschutzrecht: wer an Vernunft geglaubt hat, wurde enttäuscht

Das Leistungsschutzrecht: wer an Vernunft geglaubt hat, wurde enttäuscht

Eigentlich ist zum Thema „Leistungsschutzrecht“, das gestern im Bundestag verabschiedet wurde, schon alles gesagt. Das Hashtag „#LSR“ trendete bei Twitter den ganzen Tag weit oben, stundenlang sogar auf Platz 1. Tausende Tweets begleiteten den Sündenfall der Politiker, die allen Ernstes ein Gesetz durchgewunken haben, das so unsinnig ist und im Vorfeld von so vielen Experten und Verbänden kritisiert wurde, wie kaum eines zuvor.

Wer noch geglaubt hatte, am Ende werde sich die Vernunft durchsetzen, weil es ja hier und da auch Kritik aus den Reihen der Koalition gab, wurde bitter enttäuscht. Was Springer & Burda wollen, wird Gesetz – Proteste hin oder her.

Entschärft? Nicht wirklich…

Nun wurde das Gesetz ja im letzten Moment ein wenig „entschärft“: Einzelne Worte und „kleinste Textmengen“ sollen nicht mehr darunter fallen. Dass damit eine riesige Rechtsunsicherheit geschaffen wird, hat die Politiker nicht interessiert, das sollen bittschön die Gerichte entscheiden. Die Abmahnanwälte wird das freuen! Schon jetzt verlautbart der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), dass Snippets nicht etwa ausgenommen wären:

„Nach Ansicht des Bun­des­ver­ban­des deut­scher Zei­tungs­ver­le­ger (BDZV) sind die Such­er­geb­nisse, wie sie Google und Google News der­zeit anzei­gen, nach dem neuen Leis­tungs­schutz­recht ohne Geneh­mi­gung nicht mehr zuläs­sig. Der Ver­band wider­spricht damit dem in der öffent­li­chen Dis­kus­sion ent­stan­de­nen Ein­druck, die Such­ma­schine sei von dem Gesetz in der Form, wie es jetzt beschlos­sen wurde, gar nicht mehr betroffen. “ (Niggemeier, 1.3.)

Kurzum: Jeder, der Links verbreitet, wird sich verunsichert fühlen – und genau das ist es, was ja gewollt ist: dieses unsägliche und unkontrollierbare Diskutieren im Netzt soll einen Dämpfer bekommen, kleine unabhängige Aggregatoren sollen verschwinden – mit Konzernen wie Google kann man ja im Grunde gut leben und sich letztlich irgendwie einigen. (Man vergleiche mal den informatorischen Überblick, den man auf GoogleNews über die Welt serviert bekommt mit dem vón NetNewsExpress, dann weiß man, was gemeint ist.)

Hier ein paar weitere Artikel zum Thema:

Claudia Klinger am 28. Januar 2013 — 1 Kommentar

Vom Erfolg des Mems „#Aufschrei“ und seiner Vorgeschichte

„Es kostet nur 4000 Euro einen Begriff für 24h auf Platz 1 der TopTrends auf Twitter zu platzieren. Seien sie nicht naiv.“ twitterte mir gestern @RonnyFoerster. Und Bärbel Klafft (@satirianexe) meinte ihren Tweet vermutlich auch nicht satirisch, der da lautete: „Die #Aufschrei Debatte initiiertes Ablenkungsmanöver von den wirklichen gesellschaftlichen Missständen unter #schwarzgelb. Weiter so!!!“

Es gibt also tatsächlich Menschen, die den größten deutschsprachigen Twitter-Tsunami aller Zeiten als „bloß gekauft“ ansehen, bzw. ihm quasi „verschwörungstheoretische“ Ursachen unterstellen. Ich kann mir das nur so erklären, dass sich diese Leute in einer schmalen Filter-Bubble bewegen, kaum Blogs lesen, zur Meinungsbildung nach wie vor nur große Mainstreammedien (mir ihrem Kleben an Parteipolitik und Personen) heran ziehen – oder eben dem Machbarkeitswahn der SEO-Propaganda aufsitzen, so sehr, dass reales soziales Geschehen gar nicht mehr als Interaktion von Menschen erkannt wird. Erstaunlich!
Weiter → (Vom Erfolg des Mems „#Aufschrei“ und seiner Vorgeschichte)

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